Atomnovelle näher am Aus

■ Trittin will Atomgesetz-Änderung kippen, wenn Energieversorger irgendwie einlenken. Bundesregierung erklärt ihre Zahlen zur Belastung der Stromkonzerne durch Steuergesetz näher

Bonn (dpa/AP) – Einen Tag nach dem „Konsenstreffen“ der Bundesregierung mit den AKW- Betreibern kommen vom Bundesumweltminister gemischte Signale. Einerseits deutete Jürgen Trittin im Streit mit der Energiewirtschaft Kompromißbereitschaft an. Wenn die Konzerne zu einer Fortsetzung der Gespräche nach Ostern und zu einer Verständigung auf ein „großes Gesamtpaket“ bereit seien, mache die bislang geplante erste und zur Zeit auf Eis gelegte Atomnovelle „keinen Sinn“, sagte Trittin am Mittwoch im Südwestrundfunk. Im Klartext: die vielgerühmte Novelle des Atomgesetzes ist dann vom Tisch. Als Voraussetzung nannte Trittin, daß in dem Gesamtpaket die Fragen der Restlaufzeiten für die Atomkraftwerke, der Entsorgung, der Beendigung der Wiederaufarbeitung und den Einstieg in andere Energieversorgungsstrukturen enthalten sind.

Trittin fand auch ein paar härtere Worte. An ihrem Ziel des Ausstiegs aus der Kernkraft lasse die Bundesregierung nicht rütteln. Jetzt müsse die Energiewirtschaft entscheiden, ob sie sich weiter „auf einen berechenbaren Prozeß“ einlassen wolle oder nicht.

Nach den Worten von Gerhard Goll, Vorstandschef des AKW- Betreibers Energie Baden-Württemberg und Teilnehmer am Spitzengespräch beim Bundeskanzler, hängt der Energiekonsens zwischen Regierung und Wirtschaft „an einem seidenen Faden“. Es sei sehr viel Vertrauen zerstört worden in den vergangenen Monaten, insbesondere durch Trittin und Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine. Goll sprach in diesem Zusammenhang von einem durch die Steuerreform hervorgerufenen „Zahlensalat“.

Die Bundesregierung zählte gestern noch einmal die Belastungen für die AKW-Besitzer durch das Steuergesetz auf. Bis zum Jahr 2009 beliefen sich die Belastungen für die Unternehmen aus der Auflösung zu hoch gebildeter Rückstellungen auf rund 21,3 Milliarden Mark. Die Branche habe die Belastung auf rund 25 Milliarden Mark beziffert. Wie diese beträchtliche Differenz zustande komme, müsse nun geklärt werden. Die vom Finanzministerium meist genannte Zahl von zehn Milliarden Mark beziehe sich nur auf Belastungen in den nächsten vier Jahren bis 2002.