Staatsbürgerrecht wackelt

■ SPD droht damit, das Projekt der erleichterten Einbürgerung ganz fallenzulassen. Grüne Fraktionssprecherin Müller: Wir stimmen im Bundestag nicht beliebigem Kompromiß mit der FDP zu

Bonn (taz/dpa) – Die Sozialdemokraten haben die Nase voll vom Gezerre um das neue Staatsbürgerschaftsrecht. „Entweder wir finden einen Kompromiß oder wir beenden das Projekt“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, gestern der taz. Auf deutsch: Entweder es gibt eine rasche Gesetzesnovelle bei Einbürgerung und doppelter Staatsangehörigkeit – oder gar keine. Die von der Regierungskoalition vereinbarte Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft hatte Hessens Bevölkerung bei der Landtagswahl de facto abgelehnt.

Die Reform des mehr als 85 Jahre alten Staatsbürgerschaftsrechts steht somit auf der Kippe. Bei der FDP hieß es, wenn die Grünen nicht vernünftig würden, werde es keine Reform geben. Die Grünen, die Zuwanderern bereits nach 10 oder 25 Jahren Aufenthalt in Deutschland zur Mehrstaatlichkeit zulassen wollen, warfen der FDP eine „Blockadehaltung“ und integrationsfeindliche Politik vor. Als Kompromißvorschlag hat Cem Özdemir, der innenpolitische Sprecher der Grünen, für eine „Stichtagslösung“ plädiert: Alle vor 1973 eingewanderten Ausländer sollen danach den Doppelpaß erhalten. Damit könne das Kapitel der Anwerbung von Ausländern zwischen 1955 und 1973 abgeschlossen werden.

Die FDP lehnte dies ab. „Mit uns wird es keinen Doppelpaß geben – weder einen heimlichen noch einen offiziellen“, sagte ihr Generalsekretär Guido Westerwelle. Die FDP empfiehlt, das Mainzer Modell zur Grundlage einer Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts zu machen. Es sieht vor, daß Kinder von Zuwanderern eine doppelte Staatsangehörigkeit erhalten – sich aber mit 23 Jahren entscheiden müssen, Bürger welchen Staates sie sein wollen. Auf diese reine FDP-Lösung wollen sich wiederum die Bündnisgrünen nicht einlassen.

Die grüne Fraktionssprecherin Kerstin Müller drohte gar damit, einem Mainzer Modell notfalls die Stimme im Bundestag zu verweigern. Nach dreistündigen Verhandlungen der Innenpolitiker der Koalition mit Innenminister Schily sagte sie wütend: „Der Entwurf muß nicht nur die Mehrheit des Bundesrats, sondern auch die Zustimmung des Bundestages finden.“ cif/tde