„Alle Türken sind in Lauerstellung“

■ Innensenator Borttscheller kritisiert Doppelpaß-Entwurf und lobt die Arbeit seiner Einbürgerungsbehörde

„Die angekündigte Erleichterung der Einbürgerung ist noch nicht in Kraft“, steht fettgedruckt an der Glastür von Bremens Innenbehörde – hinter der Tür des „Blauen Salon“ aber wurde gestern verkündet: Schon jetzt könnten einbürgerungsberechtigte Ausländer in Bremen superschnell zu Deutschen werden, denn seit Anfang des Jahres hat die Innenbehörde ein neues Computerprogramm.

Soweit das Versprechen – überschattet wurde dieses von den starken Worten des Bremer Innensenators Ralf Borttscheller (CDU), der die Gelegenheit nutzte, sich in die Doppelpaß-Diskussion einzumischen. „Alle Türken sind in Lauerstellung“, kommentierte der Innensenator gewohnt qualifiziert den statistischen Befund, daß in Bremen die Einbürgerungsanträge innerhalb des letzten Jahres von 2129 auf 1352 fielen. In dem jetzt ausgehandelten Kompromiß zum doppelten Staatsbürgerschaftsrecht, das sich weitgehend an Vorschläge der Bundes-FDP anlehnt, (vgl. Interview mit Marieluise Beck) aber sieht der Innensenator eher eine Mogelpackung: „Ich bin genau wie die Grünen der Ansicht, daß mit diesem Optionsmodell nur neue Probleme geschaffen werden.“ Verfassungsrechtlich fragwürdig sei es, daß Nachkommen ausländischer Eltern, die nach dem neuen Modell durch Geburt in Deutschland einen deutschen Paß bekommen, sich mit dem 23. Lebensjahr zwischen dem deutschen und dem Paß ihrer Eltern entscheiden müßten: „Was passiert, wenn dieser Deutsche gar nichts macht? Verliert er dann durch Nichts-Tun seine Staatsbürgerschaft?“

Klar sei: Wenn das Gesetz durchkäme, würden die CDU-Bundesländer ein Normenkontrollverfahren einleiten. Auch, um Mehrarbeit von ihren Mitarbeitern in den Einbürgerungsbehörden abzuwenden: „Dieses Modell kann sich doch nur einer ausdenken, der für die Verwaltung Beschäftigungsprogramme sucht.“

Rund tausend Bremer mit ausländischen Eltern werden derzeit in Bremen geboren, so gestern die Schätzungen in der Innenbehörde, die vom Statistischen Landesamt bestätigt wurden. Matthias Güldner von den Bremer Grünen teilte die Kritik Borttschellers hinsichtli ch des Optionsmodells, „eher geringer“, schätzte er hingegen die Zahl der Kinder, die sich im Jahr 2023 vor der Tür der Innenbehörde einfinden müssen: Bei den 1.000 Neugeborenen im Jahr seien wahrscheinlich auch die Kinder mit den binationalen Eltern dabei, die heute schon das Anrecht auf einen deutschen Paß hätten.

Tritt der Gesetzentwurf aus dem Hause von Bundesinnenminister Schily (SPD) in Kürze in Kraft, so hieße das – wiederum nach Angaben des Statistischen Landesamtes – für insgesamt 23.237 „Kinder“ zwischen 0 und 23 Jahren, daß sie einen Antrag auf deutsche Staatsbürgerschaft stellen könnten. Hinzu kämen Ausländer, die zwischen acht Jahren (der künftige Zeitraum, den Ausländer in Deutschland leben müssen, um einen Einbürgerungsantrag stellen zu können) und 15 Jahren (der bisherige Zeitraum) in der Bundesrepublik leben. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes sind das knapp 14.000 Menschen. Doch auch hier „Vorsicht bei den Zahlen!“, so Matthias Güldner – Kinder hätten auch heute schon erleichterte Möglichkeiten der Einbürgerung.

Schneller als früher laufe die Einbürgerung sowieso schon, befand Borttscheller: Nicht einmal mehr ein Jahr müßten Antragsteller mit Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft heute in Bremen warten; 1.761 seien es im Jahre 1998 gewesen – Tendenz steigend. Gule Iltemis vom Dachverband Ausländischer Kulturvereine in Bremen (DAB) fand zwar auch: „Wartezeiten zwischen vier bis sechs Jahren gibt es heute nicht mehr“; aber: „Ich kenne keinen, der weniger als ein Jahr gewartet hat.“

ritz