Microsoft klonen und zerschlagen

Halbzeit im Kartellprozeß gegen Microsoft. Dem Konzern droht die Aufteilung. Pause gibt Microsoft die Chance, doch noch einen Vergleich anzubieten  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Mit der Empfehlung an die streitenden Parteien, die Zeit gut zu nutzen, vertagte Richter Penfield Jackson Ende Februar die Verhandlungen im Kartellverfahren gegen Microsoft bis Mitte April. War das ein Wink mit dem Zaunpfahl? Sollte dem Softwaregiganten damit bedeutet werden, er solle die sechswöchige Verhandlungspause zum Aushandeln einer außergerichtlichen Einigung mit der klageführenden US-Bundesregierung und den 19 Bundesstaaten als Nebenklägerinnen nutzen?

Microsoft wies jedes Nachdenken über eine Einigung von sich, und das Wall Street Journal enthüllte diese Woche die Strategie, mit der Microsoft in die nächste Runde gehen will, sollte Richter Jackson im Sommer gegen Bill Gates entscheiden. Microsofts Strategie wird Urheberrecht gegen Kartellrecht ins Feld führen: „Windows 98 ist wie Moby-Dick,“ argumentiert Charles Rule, früher Mitarbeiter des US-Justizministeriums, der als Rechtsberater für Microsoft arbeitet, „da können Buchhändler ja auch nicht einfach das letzte Kapitel umschreiben, wenn ihnen der Schluß nicht gefällt.“

Die Argumentation spielt auf den Ursprung des Streits an, der sich daran entzündete, daß Microsoft seinen „Internet Explorer“ zum Schaden des Konkurrenten Netscape als festen Bestandteil in sein Windows-Betriegssystem eingebaut hatte. Das Verfahren aber hat sich erheblich ausgeweitet und die Konsequenzen die aus einem für Microsoft nachteiligen Urteil gezogen werden müßten, könnten weit über die geforderte Entkoppelung von „Explorer“ und „Windows“ hinausgehen. Von der Aufteilung Microsofts ist die Rede, von „Baby Bills“, wie man in Analogie zu den „Baby Bells“ sagt, in die Amerikas ehemalige Supertelephongesellschaft „Bell“ 1982 aufgeteilt wurde.

Horizontal oder vertikal ist hier die Frage. Sollte Microsoft in drei Betriebe aufteilt werden, von denen einer das Betriebsystem – also Windows – weiterentwickelt, ein anderer die passende Software, wie Word, schreibt und ein Dritter sich ums Onlinegeschäft kümmert? Wie aber würde man diese Aufteilung vornehmen, was gehört wozu? Immerhin entzündete sich der ganze Streit daran, daß die Anwendung von gestern (der Internet Explorer) zum Betriebssystem von heute wird.

Da spekulieren Microsoft-Gegner lieber über eine horizontale Aufspaltung: Larry Ellison, Vorsitzender des Microsoft Rivalen Oracle schlug vor, vom Quellcode für Windows je eine Kopie an Bill Gates und eine an dessen Generaldirektor Steve Ballmer zu geben, die sich dann gegenseitig Konkurrenz machen könnten. Einen ähnlichen Vorschlag machte der konservative Richter Robert Bork, dessen Nominierung zum obersten Bundesrichter am Widerstand des damals demokratisch beherrschten Senats scheiterte. Er schlägt vor, Microsoft zu klonen und daraus Drillinge zu machen, so wie die Neffen von Donald Duck, Tick, Trick und Track: Jeder mit einer Kopie für Windows ausgestattet, sowie „mit dem Gen, das Microsoft zur Zerschlagung der Konkurrenz und zur Erlangung der Weltherrschaft antreibt“, wie James Gleick im New York Times Magazin ergänzt. „Die drei könnten sich spezialisieren“, freut sich Gleick: „Tick könnte sich um Qualität und Stabilität bemühen, statt aufgeblähte Programme mit Features zu schreiben, die keiner braucht und die den PC ständig zum Absturz bringen; Trick könnte sich einen Namen durch futuristische Experimente für PowerUser machen, und Track könnte sich auf poetische Fehlermeldungen konzentrieren.“ Schön wär's.

Derweil gibt sich Microsoft intern eine neue Struktur, meldete gestern das Wall Street Journal. Der Konzern will sich demnach in vier große Bereiche neu aufgliedern. Angeblich soll dies nächste Woche bekanntgegeben werden. Grund seien interne Managementprobleme, schreibt das Blatt. Eine Auslagerung eines der Teile sei aber nicht geplant.

Microsoft hat während der ersten Verhandlungsphase einen schlechten Eindruck gemacht. Der Staatsanwalt konnte Bill Gates und seine Anwälte ein ums andere Mal durch Vorlage von internen E-Mails Lügen strafen. Das schlechte Bild das Microsoft abgab hat letztlich auch Intel, den Hersteller des Pentium-Chips, dazu bewogen, sich letzte Woche mit der Regierung außergerichtlich in einem Kartellverfahren zu einigen, das auf wackeligeren Beinen stand als das gegen Microsoft. Letztlich aber ist im Microsoft-Verfahren noch nichts entschieden. Die Klägerin muß den Richter nämlich nicht davon überzeugen, daß Microsoft mit harten Bandagen gegen Konkurrenten spielt, sondern daß Microsoft sein Fastmonopol zum Schaden der Konsumenten einsetzt. Bei ständig sinkenden Preisen dürfte das nicht leicht sein.