Bewegung ohne Bedeutung

■ Choreographieren und debattieren: das Festival „Körperglimmen“

Wie und wo entsteht die Bewegung des Tänzers? Aus dem Körper oder aus den Gedanken heraus? Um diese Fragen kreisten die Veranstaltungen des Tanzfestivals Körperglimmen, das die Tanzinitiative Hamburg mit Workshops und Performances zu einem gut besuchten Ereignis aufgebaut hatte. Die geladenen Choreographen, die sich als Forscher verstehen, gaben mit ihren Positionen Anlaß zur Diskussion.

Der zeitgenössische Tanz befindet sich auf der Suche nach der Motivation von Bewegung – im Leben und auf der Bühne. In diesem Sinne war die Performance des belgischen Tanzhistorikers und Choreographen Alexander Baervoets der Höhepunkt des Festivals. Nachdem er in einem Vortrag die These vertreten hatte, daß das Ideal die Improvisation sei, mußte er tanzenderweise den Beweis antreten. Für Baervoets ist der wahre Tanz der, der im Moment der Bewegung aus dem Körper entsteht – gleichsam gedankenlos: „Wenn du die echte Bewegung willst, mußt du sie von Bedeutung befreien.“ Mit diesem Credo will er dem Grundprinzip des Tanzes, der Flüchtigkeit, entsprechen. Dabei kalkuliert er ein, daß er die Erwartungen des Publikums enttäuscht. Daß Baervoets die stärksten Momente zeigte, als er sich mit geschlossenen Augen aus einer inneren Tiefe bewegte, entspricht nicht unbedingt seiner Absicht.

Christine de Smedt aus Gent geht den entgegengesetzten Weg. Ihr Arbeitsprinzip ist das Beobachten, Definieren und Deklinieren von Bewegung. Sie zeigte mit unendlicher Ruhe und sehr komprimiert studierte Rituale. Seit Jahren untersucht de Smedt die Dynamik von Gruppen und Massen, etwa bei Prozessionen. Ihr Workshop widmete sich der Entstehung und Zerstörung von kollektivem Verhalten. Geplant hat sie ein Projekt, bei dem individuelle Bewegungen von 90 Tänzern multipliziert werden.

Es bleibt der Wunsch, daß solch ein Festival bald wieder Körper und Ideen zum Glühen bringe.

Gyde Cold