Volksbegehren gegen Schreibreform beantragt

■ 35.600 Unterschriften gesammelt. Gegner hoffen auf Erfolg wie in Schleswig-Holstein

Der Streit um die Rechtschreibreform ist schon in Schleswig-Holstein ausgetragen worden, jetzt wird auch in Berlin gestritten. Der „Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege“ will die Reform der Kultusminister zu Fall bringen – mit einem Volksbegehren. Gestern gelang der Initiative der erste Erfolg: In den vergangenen sechs Monaten haben die Vereinsmitglieder in ganz Berlin 35.600 Unterschriften gesammelt. Damit können die Reformgegner bei der Senatsinnenverwaltung ein Volksbegehren beantragen. Ihr Motto: „Schluß mit der Rechtschreibreform!“

Mit dem eigentlichen Begehren soll im Berliner Schulgesetz festgeschrieben werden, „die in der Sprachgemeinschaft gewachsene und von der Bevölkerung allgemein anerkannte traditionelle Rechtschreibung nachzuvollziehen und die Schüler in dieser zu unterrichten“. Dies sei bitter nötig, sagte Gernot Holstein von der Initiative, schließlich sei die Reform ein „verpfuschtes Regelwerk“.

Bevor der geforderte Passus aber in das Landesschulgesetz eingehen kann, haben die Gegner der Reform noch eine hohe Hürde zu überwinden. Für das Volksbegehren müssen nämlich innerhalb von zwei Monaten 250.000 wahlberechtigte Berliner unterschreiben. „Mit unseren Mitteln ist das kaum zu schaffen“, schätzt Gegner Jürgen Brinkmann jedoch die Erfolgsaussichten ein. Der Verein hofft deshalb auf private Spenden, um durch Anzeigen genug Berliner zum Unterschreiben zu locken.

Ermutigt wurden die Reformgegner durch den Erfolg des Volksentscheides in Schleswig- Holstein im September 1998. Dort hatten alle Bürger über die geplante Neuregelung zu entscheiden – und sie lehnten das Reformwerk ab. Doch die Ablehnung in Schleswig-Holstein bedeutete keineswegs das Ende auf Bundesebene. Schon bevor die Schleswig- Holsteiner über die Rechtschreibung im Lande abstimmten, stellte die Konferenz der Kultusminister fest, daß die Entscheidung keinen Einfluß auf andere Bundesländer haben werde.

Die Berliner Parteien zeigten sich gestern skeptisch. „Ich persönlich bin zwar kein glühender Verfechter der neuen Rechtschreibung“, sagte Stefan Schlede, bildungspolitischer Sprecher der CDU. Jedoch glaube er nicht an einen Erfolg des Vereins. Auch Peter Schuster, schulpolitischer Sprecher der SPD, hält wenig vom Volksbegehren. „Das sind Nachhutgefechte. Weder pädagogisch noch politisch ist es sinnvoll, die Reform zurückzunehmen.“ Die Grünen sehen dies ähnlich: „Eine Rücknahme geht auf Kosten der Kinder“, sagte der hochschulpolitische Sprecher Anselm Lange. Allein die bildungspolitische Sprecherin der PDS kann dem möglichen Volksbegehren Positives abgewinnen, wenn auch nicht in der Sache. „Direkte Demokratie ist zu begrüßen, aber nach zwei Jahren Rechtschreibreform hat sich gezeigt, daß viele Wörter einfacher zu lernen sind.“

Brinkmann vom Verein für deutsche Rechtschreibung bleibt trotzdem optimistisch: „Auch in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern werden Volksbegehren vorbereitet. Sein Wunsch: Wenn das Volksbegehren klappe, sollten die Berliner am Tag der Wahlen zum Abgeordnetenhaus über die Rechtschreibreform entscheiden. Ilja Weitzel