Affären, Präsidenten etc.
: Das Megagroupie

■ Als wär's ein Stück von Arthur Miller: Leiden mit Monica Lewinsky zum letzten

Für Medienschaffende, die etwas auf sich halten, ist das Thema Monica Lewinsky längst out und over. Entsprechend tönt die mediale Begleitmusik ihrer europäischen Promotiontour. Die Kommentare sind höhnisch und herablassend. Nachdem in den Wochen und Monaten zuvor alle sexuellen Details der Affäre ausführlich erörtert wurden, konzentriert sich das Medieninteresse jetzt auf den kommerziellen Aspekt der Story, die auch in Europa für Auflage und Quote gesorgt hatte. Typisch amerikanisch, was da jetzt abläuft. Wie immer, man wußte es ja, geht es am Ende nur noch um Dollars.

Warum dieser Spott? Was ist daran auszusetzen? Schließlich hat Monica Lewinsky einen Markenartikel-Coup gelandet, der seinesgleichen sucht. In atemberaubend kurzer Zeit ist es ihr gelungen, ihren Namen zu einem Label von globaler Bedeutung zu machen. Monica Lewinsky ist ein Groupie. Kein Starkult ohne Groupies. Ein Präsident, der seine Amtszeit als Popereignis inszeniert, lockt Groupies geradezu magisch an. Unter allen Popgroupies, die es geschafft haben, bis zum Genitalbereich des Objektes ihrer Begierde vorzudringen, hat Monica Lewinsky die nicht zu überbietende Höchstmarke gesetzt. In die Popgeschichte wird sie eingehen als das Megagroupie. Darüber hinaus ist sie, wenn auch unfreiwillig, eine Pionierin der Sexualaufklärung in einem von religiösen Fundamentalisten mit sexuellen Tabus überzogenen Land.

Nun spricht sie selbst, nachdem sie monatelang Objekt der Medien war. Sie spricht, und sie kassiert. Oder besser: Sie kassiert, indem sie spricht. Ihr Einsatz war hoch, er verlangt nach Verzinsung schon deshalb, weil jeder, der auf diesem Niveau in die Mühlen des US-amerikanischen Justizsystems geraten ist, selbst wenn er einigermaßen unbeschadet aus der Geschichte rauskommt, bis ans Ende seiner Tage damit beschäftigt ist, die Anwaltskosten beizubringen. Was also soll daran auszusetzen sein, wenn Monica Lewinsky die kurze Zeit ihres Starruhms nutzt, sich und ihre Skandalgeschichte zu vermarkten?

Es ist eine Frage des Geschmacks und des Temperaments, ob man Frau Lewinsky sympathisch findet, wenn man ihr zuhört oder wenn man liest, was sie ihren Ghostwriter schreiben ließ. Die einen sehen in ihr den Typus einer selbstbewußten modernen Frau, die anderen den einer verwöhnten kalifornischen Kitschtrine aus wohlhabender Familie.

Jede Träne, jeder Augenaufschlag und jede Handbewegung sei inszeniert, monieren die Kommentatoren. Aber ja doch. Während des Fernsehprozesses gegen O.J. Simpson wurde sogar der Gerichtssaal nachgebaut, um Zeugen an die Atmosphäre zu gewöhnen und entsprechend präparieren zu können. Selbstverständlich wurde auch Monica Lewinsky präpariert, bevor sie sich ihren Interviewern stellte. Das nennt man Professionalität. Mit dem moralischen Zeigefinger fuchteln und heuchlerische Kommentare absetzen, in denen die Selbstinszenierung der Monica Lewinsky und ihre Gier nach Geld und Ruhm beanstandet werden, kann nur, wer so tut, als wisse er das alles nicht.

Dabei lohnt es sich, ihr zuzuhören. Daß der Sonderermittler in seinem Verfolgungseifer jedes juristische Maß verloren hat, wird selbst von hartnäckigen Clinton-Gegnern eingeräumt. Erst wurde Monica Lewinsky, um sie als Zeugin gefügig zu machen, in eine Falle des FBI gelockt, indem sie einer verkabelten Frau, der sie vertraute, ihre Geschichte erzählte. Dann wurde sie vor die Grand Jury geschleppt ohne juristischen Beistand. Sie wurde eingeschüchtert. Man drohte ihr mit einer langen Haftstrafe. Man spielte Mutter und Tochter im Verhör gegeneinander aus. Und man warf alles, was man mit brutalen Mitteln und fragwürdigen Methoden herausgefunden hatte, in Bild und Ton den Medien zum Fraße vor. Was Monica Lewinsky jenseits von Glamour und Geilheit zu erzählen hat, ist die beklemmende Geschichte einer Hexenverfolgung. Als wär's ein Stück von Arthur Miller. In diesem Stück ist Monica Lewinsky das Opfer. Kein unschuldiges und keines, das man unbedingt bedauern muß. Sie ist das Opfer eines Systems, das alle wollen und bei dem alle mitmachen. Sie zuallererst. Günter Amendt