630-Mark-Jobs werden zur Endlosgeschichte

■ Gesetz geht Freitag durch den Bundesrat – danach soll es noch einmal geändert werden

Berlin (taz) – Ein Spielverderber will Gerhard Glogowski (SPD) nicht sein. Deswegen wird der Ministerpräsident von Niedersachsen brav die Hand heben, wenn am Freitag im Bundesrat das 630- Mark-Gesetz aufgerufen wird. Auch sein SPD-Amtskollege Wolfgang Clement aus Nordrhein- Westfalen wird für das Gesetz stimmen. „Wir stehen schließlich im Wort“, sagt Volker Benke, stellvertretender Regierungssprecher in Hannover.

Mit hauchdünner SPD-Mehrheit soll die Länderkammer das bereits vielfach nachgebesserte 630-Mark-Gesetz durchwinken. Doch schon kommende Woche dürfen sich die Genossen auf der Bonner Regierungsbank über die Ministerpräsidentenkollegen ärgern. Glogowski und Clement wollen ein Änderungsgesetz vorlegen. Die Flickschusterei bei den 630-Mark-Jobs droht zur Endlosgeschichte zu verkommen.

Daß Zeitungsboten und Servierhilfen in Kneipen die Einkünfte aus den Billigjobs demnächst gemeinsam mit einem Haupteinkommen versteuern müssen, ist den beiden Länderchefs ein Dorn im Auge. „Eine Korrektur des 630-Mark-Gesetzes begreifen wir als aktive Mittelstandsförderung“, begründet Sprecher Benke. Am Sonntag hatte Glogowski nur für Jobs in wenigen Branchen eine Ausnahme gefordert. Gestern sagte sein Sprecher, die Korrektur müsse für alle gelten, egal welchen Hauptberuf sie ausübten.

Abgestimmt haben die beiden Ministerpräsidenten ihr Vorhaben offenbar mit niemanden. Im Arbeitsministerium, im Kanzleramt und im Finanzministerium wußte man gestern offiziell nichts davon. Im Finanzministerium hieß es lapidar, bei einer solchen Änderung erhöhten sich die steuerlichen Mindereinnahmen um „einige hunderttausend Mark“. Bereits die derzeitige Vorlage bringt 2,1 Milliarden Mark weniger in die Haushaltskassen.

Den Gewerkschaften geht die angekündigte Kehrtwende nicht weit genug. Durch ein Änderungsgesetz falle die steuerliche Ungleichbehandlung mit hinzuverdienenden Hausfrauen und jobbenden StudentInnen weg. „Doch der Anreiz für Arbeitgeber, solche Jobs anzubieten, wird nicht geringer“, sagt DAG-Sprecher Ingo Schwoppe.

Warum bringen Clement und Glogowski ihre Änderungswünsche erst nach der Bundesratssitzung ein? Aus Solidarität mit der Regierungsmannschaft. Nach Lafontaines Abgang wolle man sie vor Jubel und Spott von Börsianern und Bankern schützen, heißt es in Hannover. Annette Rogalla