Phantastische Bonsai-Rinder für die Friteuse

■ Element of Crime haben auch auf ihrer neuen Platte „Psycho“ nicht allzuviel an ihrer melancholischen Grundgestimmtheit verändert – nur die Tiere sind ein wenig kleiner geworden

Der Journalist bringt eine Flasche Rotwein mit, kalabresischer Cirò von Librandi, Jahrgang 1996. Sven Regener: „Trinken und reden kann ich gleichzeitig. Sonst nichts, aber das kann ich gleichzeitig.“ Der Wein erweist sich als gut: Regener: „Ein feines Stöffle.“ Der Journalist: „Ich komme gerade aus dem Sauerland, Schnee hat dort bis zum Horizont gelegen und die hochgewachsenen Bergtannen bedeckt. Es war eine Landschaft in Schwarz und Weiß. Beeindruckend unfarbig.“ Regener hält das Weinglas gegen das Licht und läßt den roten Wein darin kreisen, auch in Hamburg fällt Schnee, der Blick aus dem fünften Stockwerk auf die graue Alster ist märchenhaft, die Suite im Hamburger Luxushotel „Atlantic“ hoffnungslos überhitzt.

Aber Regener hat sich längst daran gewöhnt: „Wir kennen Deutschland ziemlich gut. Die Reisen, die Element Of Crime im Laufe der Jahre durch Deutschland gemacht haben, gleichen Entdeckungsreisen. Im Sauerland bin ich auch schon mal gewesen, in dem Skiort Winterberg; da habe ich Sterne gesehen, mehr als auf Kreta.“ Inspiriert durch diese Erinnerung klinkt sich das zweite zum Gespräch anwesende Bandmitglied Richard Pappik, der Schlagzeuger, mit seiner sehr sonoren, tiefen Stimme ein: „Entdeckungsreise war für mich, als die Mauer aufging: Plauen, Dresden, Jena, Leipzig, Ost-Berlin. Das war unheimlich, da haben sie direkt neben dir eine Stadt aufgemacht; ich meine: Wir haben damals ja alle in Berlin gelebt, tun es auch heute noch, nur Sven lebt jetzt in Hamburg. Und plötzlich war da noch eine zweite Stadt.“

Das neue Album haben Element Of Crime, die auch nach 13 Jahren noch in Originalbesetzung existieren, „Psycho“ genannt. Auf dem Cover liegt ein winzigkleines Pferd an die Beine eines Mannes gekuschelt. Der Journalist: „Das Pferd muß den Mann ja sehr liebhaben.“ Er will und kann nicht über die Musik reden, denn „Psycho“ klingt wie all die anderen Alben, die Element Of Crime in den letzten Jahren veröffentlicht haben. Es ist besser als das arg pathetische „Weißes Papier“ und nicht ganz so geschlossen wie „Damals hinterm Mond“. Aber geändert hat sich nicht viel. Also das Pferd. Regener: „Ja, das hat den Mann richtig lieb, sieht man doch.“ Der Journalist, skeptisch: „Das Pferd ist also nicht gemalt?“ Regener schenkt sich nach, der Wein geht mit erschreckender Geschwindigkeit seiner Neige zu. „Das ist ein echtes Bonsai-Pferd, ein Haustier wie eine Katze oder ein Meerschweinchen. Man ist es nur nicht gewohnt, Bonsai-Pferde bei Freunden durch die Wohnung galloppieren zu sehen. Als wir das Bild sahen, war uns sofort klar, daß es das Cover für unser neues Album sein würde.“ Der Journalist sucht nach Zigaretten, es ist so heiß in der Suite, er muß seine Krawatte lockern, öffnet den obersten Hemdknopf. Regener hingegen redet sich in Rage: „Unser Produzent Dave Young war besessen von dem Bild des kleinen Rindes, das ja eigentlich nichts anderes ist als ein kleines Pferd, zumindest von der Größe her gesehen, das in einem der neuen Lieder von mir auftaucht. Dave hatte während der Aufnahmen die Phantasie entwickelt, daß die Rinder so klein wären, daß sie in die Friteuse passen.“

Der Journalist, dem mittlerweile ganz schwindlig ist, trinkt einen gierigen Schluck und stammelt: „In die Friteuse?!“ Regener: „Ja, in die Friteuse, was ist denn daran so besonders?“ Max Dax

„Psycho“ ist bei Motor Music erschienen; Element of Crime sind im Mai auf Deutschland-Tournee