Dioxin aus bayerischem Müllofen

Der Bayerische Umweltminister will die umstrittene Müllverbrennungsanlage in Baar Ebenhausen nach drastischen Grenzwertüberschreitungen nun endgültig stillegen  ■ Aus Baar Ebenhausen Manuela Knipp-Dengler

Eigentlich wollte am vergangenen Montag abend die Gesellschaft für Sondermüllverbrennung in Bayern (GSB) pressewirksam das Internetzeitalter einläuten, doch dieses Thema schien kaum jemanden zu interessieren. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses standen zwei erst vor wenigen Tagen bekannt gewordene Meßergebnisse: Die Mengen der Supergifte Furan und Dioxin überschreiten bei einem der drei Verbrennungsöfen die erlaubten Werte teilweise um das Vierfache.

Ebenfalls im Zentrum der Kritik: die Informationspolitik der GSB gegenüber den Behörden. So erfuhr die Öffentlichkeit erst am 10. März, daß es bereits im Oktober 1998 bei der Verbrennungslinie 1 zu Grenzwertüberschreitungen bei Furanen und Dioxinen gekommen war.

Laut Auskunft des GSB Geschäftsführers Karl Heinz Decker sollen ihm diese Messergebnsise erst Anfang Februar vom TÜV vorgelegt worden sein. Um eine Fehlmessung auszuschließen, veranlaßte die GSB nach eigenem Bekunden daher eine Folgemessung, die die Messungen vom Oktober bestätigte. Gemessen wurden dabei bis zu 0,398 Nanogramm pro Kubikmeter Abluft. Der geltende Grenzwert liegt bei 0,1 Nanogramm. Obwohl auch die Werte im Oktober letzten Jahres den Grenzwert ähnlich signifikant überschritten, sah die GSB erst im Februar Handlungsbedarf und schaltete die Verbrennungsanlage ab.

Dem zum Ortstermin erschienenen bayerischen Umweltminister Werner Schnappauf und seiner Umwelt-Staatssekretärin Christa Stewens war die Verärgerung über die Vorkommnisse deutlich anzumerken: „Die politische Spitze war nicht informiert. Ich halte dies für einen unmöglichen Zustand.“ Schnappauf sprach von einem „im Übermaß strapazierten Vertrauensverhältnis“, was „Konsequenzen“ haben müsse. Und deshalb forderte er, die derzeit zu Überprüfungszwecken stillgelegte Verbrennungslinie nicht wieder in Betrieb zu nehmen.

Die offizielle Stillegung soll nach Auskunft von Staatssekretärin Stewens, die zugleich Aufsichtsratsvorsitzende der GSB ist, noch innerhalb der nächsten vier Wochen bei einer Aufsichtsratssitzung besiegelt werden. Da der Freistaat Bayern 51 Prozent der Firmenanteile besitzt, scheint die endgültige Abschaltung nicht mehr aufhaltbar. Bis zum Ortstermin mit dem Bayerischen Umweltminister vor zwei Tagen ging die Betreiberfirma noch davon aus, die aus Jahr 1972 stammende Anlage nach Beseitigung der Emissionsursachen wieder in Betrieb nehmen zu können.

Auch für die seit Jahren um eine endgültige Schließung der „Dioxinschleuder“ bemühte Bürgerinitiative „zur Kontrolle der GSB“ kam der Entschluß des Umweltministers überraschend. Noch während des Ortstermins am Montag abend demonstrierten rund 30 Menschen vor dem Werksgelände und empfingen Umweltminister Schnappauf mit Pfiffen und Buhrufen.

Immer wieder war es in den vergangenen Jahren zu Schadstoffemissionen und Notkaminöffnungen gekommen, und 1996 machte die Anlage Schlagzeilen, weil radioaktiv verstrahltes Molkepulver verbrannt wurde. Dafür soll auch die Tonnage auf 100.000 Tonnen Sondermüll pro Jahr begrenzt und kein außerbayerischer Abfall verbrannt werden.

Um das verlorene Vertrauen in die GSB wieder herzustellen, versprach der Umweltminister das bestehende Bio-Monitoring von Boden und Pflanzen zu erweitern, die beiden verbleibenden Verbrennungslinien technisch auf Vordermann zu bringen, Elektrofilter in die Notkamine einzubauen und künftig statt der vorgeschriebenen jährlichen Schadstoffprüfung künftig alle drei Monate die Abluft messen zu lassen. Alle Werte sollen dann für jedermann zugänglich im Internet abrufbar sein unter: http://www.gsb-mbh.de Nach den Ursachen für die Grenzwertüberschreitungen der letzten Monate wird noch gesucht.