Fliegendreck ist bald weg

■ Kartellamt will Kirch die geplante alleinige Übernahme von Premiere wahrscheinlich erlauben

In der Hamburger Zentrale von Premiere hat sich noch kein Vertreter der Kirch-Gruppe gemeldet. Dabei sind die 850 Mitarbeiter des Pay-TV-Senders es, die als erstes von dem betroffen sind, was die Gesellschafter Kirch und CLT- Ufa, die TV-Sparte des Bertelsmann-Konzerns, verabredet haben. Die Premiere-Beschäftigten müssen wohl nach München umziehen, jedenfalls zum großen Teil.

Nach München, zu Leo Kirch. In den Grundzügen haben sich die Manager beider Konzerne darauf geeinigt, daß Kirch den Sender fast komplett übernehmen wird, an dem er bislang nur einen Minderheitsanteil von 25 Prozent hielt. „Es ist noch nichts unterschrieben worden“, aber man mache „gute Fortschritte“, berichtet CLT-Ufa- Sprecher Matthias Wulff. Man habe „eine weitgehende Einigung“ erreicht, zitiert ihn das Handelsblatt, in den nächsten zwei Wochen werde der endgültige Vertrag unter Dach und Fach sein. „14 Tage sind realistisch“, sagt Kirch-Sprecherin Petra Hüther, auch wenn sie lediglich „gute Verhandlungen“ bestätigen mag, nicht aber den Vorvertrag, von dem im Handelsblatt die Rede ist. Zu den Umzugsplänen will die Konzernsprecherin noch nichts sagen, aber in Hamburg ist längst herum, daß zentrale Bereiche an den Sitz des künftigen Haupteigners verlagert werden und dort mit dessen defizitären Digitalangebot DF 1 verschmolzen werden.

Kartellwächter: Wir sehen das positiv

Bereits informiert über die weitgehenden Pläne der beiden Konzerne wurde das Bundeskartellamt. Kirch und Bertelsmann/CLT- Ufa hätten sich bereits vor einiger Zeit gemeldet, und vor kurzem erneut, berichtet Horst Nölkensmeier, der Chef der für Medien zuständigen 6. Beschlußabteilung der Berliner Wettbewerbsbehörde: „Wir sehen das positiv, daß Bertelsmann sich aus Premiere herausziehen will.“ Schließlich hätten die Monopolwächter einst die Pläne beider Konzerne vereitelt, Premiere zusammen für das Digitalfernsehen auszubauen, weil man eine „Koordination der beiden großen Anbieter im Free-TV“ befürchtet hatte. „Diese Bedenken sind augeräumt, wenn Bertelsmann sich soweit zurückzieht, daß das Unternehmen keinen unternehmerischen Einfluß mehr auf Premiere hat“, so Nölkensmeier – dann sei die Gefahr beseitigt, daß sich die beiden beherrschenden deutschen Medienkonzerne in all ihren Geschäften absprechen.

Bertelsmann: Wir wollen uns nicht mehr mühen

Jahrelang wollten Bertelsmann und Kirch mit dem Sender Premiere gemeinsam in die digitale Medienzukunft. Nun hat Bertelsmann seine Strategie geändert: „Wir wollen uns nicht mehr abmühen mit der derzeitigen Form von Pay-TV“, sagt PR-Chef Manfred Harnischfeger. Premiere sei „nur ein Fliegendreck“ unter den Aktivitäten von Bertelsmann, hatte der neue Vorstandschef Thomas Middelhoff gesagt. Der Boß setzt auf das Internet: Er findet die Möglichkeit, attraktive Filmware über das globale Netz im Einzelabruf zu vermarkten, aussichtsreicher als die Chancen des digitalen Pay-TV. Nur um weiterhin noch beim Filmhandel mitmischen zu können will man einen Rest von dem Vernehmen nach fünf Prozent an Premiere nicht mit verkaufen: „Wir wollen einen kleinen Anteil behalten“, sagt Harnischfeger, darauf habe man sich schon mit Kirch geeinigt. Denn die US-Entertainment-Konzerne verkaufen Rechte gern für Pay-TV und Free-TV zusammen. Außerdem könnte Bertelsmann ein Einblick in Kirchs Pay-TV-Geschäfte behalten

Für den Münchner TV-Unternehmer stellt sich die Situation ohnehin anders dar. Er sitzt auf Milliardenteuren Pay-TV-Rechten, die er wegen der bisherigen Blockade nicht vernünftig verwerten kann. Zudem verliert er täglich an die eine Million Mark mit seinem solo gegründeten Digitalsender DF 1, hinzu kommt eine weitere Million, die täglich bei Premiere anfallen, und die sich Bertelsmann und Kirch teilen müssen. Wenn Kirch die beiden Sender zusammenlegt, könnten auch seine Banken wieder eine Perspektive im Pay-TV erblicken. lm