„Wir kümmern uns schon ausreichend“

Guatemaltekische Regierung ignoriert Empfehlung der Wahrheitskommission. Ein Ausschuß zur Ermittlung gegen Militärs ist „weder nötig noch angemessen“, findet Präsident Arzu. Menschenrechtler protestieren  ■ 

Guatemala-Stadt/Berlin (AP/taz) – Zwei Wochen nach der Veröffentlichung des kritischen Berichts einer Wahrheitskommission hat die guatemaltekische Regierung erstmals zu den darin enthaltenen Vorwürfen über Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkrieges Stellung genommen. In einer am Dienstag veröffentlichten ganzseitigen Zeitungsanzeige lehnte die Regierung von Präsident Alvaro Arzu die Einsetzung einer Kommission ab, um gegen beschuldigte Offiziere der Armee zu ermitteln. Letzere sei bereits umgebildet worden, und weitere Maßnahmen widersprächen grundlegenden Versprechen des Friedensabkommens.

Der am 25. Februar veröffentlichte Bericht macht vor allem die Armee für die rund 200.000 Toten und Verschwundenen im 36 Jahre währenden Bürgerkrieg des mittelamerikanischen Landes verantwortlich. Er empfiehlt die Entlassung der Schuldigen aus dem Offiziersstab und eine offizielle Untersuchung der Rolle des Militärs im Bürgerkrieg. Die Bildung eines entsprechenden Ausschusses, so Arzu, sei aber „weder nötig noch angemessen“, da sich die Regierung bereits „ausreichend“ um die Probleme kümmere. Eine detaillierte Antwort auf den Bericht wird für den 6. April erwartet.

Die Wahrheitskommission wollte zu der Zeitungsanzeige gestern nicht Stellung nehmen. Guatemaltekische Menschenrechtsorganisationen äußerten sich dagegen kritisch. „Es ist ironisch, daß US-Präsident Bill Clinton vor dieser Regierung auf den Inhalt des Berichts reagiert hat“, sagte Frank La Rue, Direktor des Menschenrechtszentrums für Rechtliche Schritte. Clinton hatte vergangene Woche bei seinem Besuch in der Region die US-Unterstützung der Aufstandsbekämpfung in Mittelamerika in der Vergangenheit als Fehler bezeichnet.

Der Generalsekretär der ehemaligen Guerilla URNG, Jorge Soto, meinte gegenüber der guatemaltekischenTageszeitung Prensa Libre, durch die Veröffentlichung in Form einer Zeitungsanzeige wolle die Regierung kritischen Fragen ausweichen. „Diese Haltung verzögert den Prozeß der Versöhnung und Demokratisierung und fördert gleichzeitig die Straflosigkeit“, ergänzte Miguel Angel Albizúrez vom Menschenrechts-Dachverband „Allianz gegen die Straffreiheit“, „die militärischen Strukturen, die illegal operierten, bleiben intakt.“ Guatemalas Außenminister Eduardo Stein betonte hingegen gegenüber der Zeitung, der Präsident habe sich im vergangenen Jahr bereits für die „begangenen Fehler“ entschuldigt.

Die Zeitung La Hora kritisiert in ihrem Leitartikel vom Dienstag, mit ihrer Haltung „tritt die Regierung die Empfehlungen der Kommission mit Füßen“. Dabei habe der Bericht nur gesagt, „was die nationale und internationale öffentliche Meinung sowieso schon wußten“. hedi