Der Gleichheitsgrundsatz muß gewahrt bleiben

■ Nach der neuen „Fahrerlaubnisverordnung“ muß jeder Führerscheininhaber, der wegen Drogendelikten aufgefallen ist, zum Idiotentest – auch wenn er nicht berauscht Auto gefahren ist

Viel Rauch um nichts? Die Angst ging um, als im vergangenen Jahr der neue Drogentester „Drugwipe“ bei Straßenverkehrskontrollen eingesetzt wurde. Ein Zug an einem Joint, der schon Wochen zurückliege, reiche aus, damit sich der Teststreifen bei einem Schweißabstrich unter der Achselhöhle innerhalb kürzester Zeit verfärbe, behauptete die Polizei. Da das Fahren „unter Drogen“, welcher Art und Dosierung auch immer, seit Anfang August 1998 verboten ist, drohen bei einer Überführung empfindliche Geldstrafen bis zu 3.000 Mark. Kiffer fühlen sich ungerecht behandelt: Denn THC-Rückstände, die mehrere Wochen im Blut nachweisbar sind, bedeuten lange noch nicht, daß man berauscht hinterm Steuer saß.

In der Praxis zeigte sich jedoch, daß der Cannabis-Tester zu häufig falsch anzeigt und daher seine Ergebnisse nicht „gerichtsverwertbar“ sind. Derzeit werde das Gerät „nachgebessert“, so Franz Aberl von der Herstellerfirma Securetec. „Das kann ein Jahr dauern. Wir suchen noch Sponsoren, die die Entwicklungskosten übernehmen.“ Die Tester für Kokain und Opiate arbeiten dagegen zuverlässiger.

In Baden-Württemberg, wo bereits 1996 die ersten Drugwipe- Feldversuche anliefen, wurde noch im November 1998 eine „richtige Offensive“ angedroht. Die großspurig angekündigte Aktion scheint allerdings eher im Sande zu verlaufen. „Zu mir ist bisher nur ein Mandant gekommen, der wegen eines Drugewipe-Tests Ärger bekommen hat“, sagt der auf Drogendelikte spezialisierte Freiburger Anwalt Sebastian Glathe.

Vielleicht sind die Polizeibeamten auch einfach nur überfordert: Sie dürften den Wischtest trotz eines begründeten „Anfangsverdachts“ nur dann einsetzen, so Karsten Schlüter, Schulungsleiter bei der Berliner Polizei, wenn sie ein vorbereitendes „Drogenerkennungsseminar“ besucht haben. Da lernen sie dann, wie die Konsumenten verschiedenster Drogen auftreten: Auf die „Tanzwut“ nach einem Joint wird ebenso hingewiesen wie auf das „ozeanische Wir- Gefühl“ bei Ecstasy-Konsum. Eine drogenspezifische Erkennung dürfte den Beamten indes schwerfallen, denn „in der Regel liegt Mischkonsum vor“, wie Polizeirat Schlüter zu berichten weiß. Der Drugwipe sei ohnehin nur ein „zusätzliches Hilfsmittel“. Denn immer muß ein Bluttest den Verdacht auf Drogenkonsum erhärten, bevor rechtliche Schritte eingeleitet werden dürfen.

Unangenehmer – auch für Gelegenheitskiffer – dürfte aber die ab 1. Januar geltende „Fahrerlaubnisverordnung“ sein. Danach müssen sich alle Autofahrer, die wegen Drogendelikten aufgefallen sind, einer „medizinisch-psychologischen Untersuchung“ unterziehen. Bei dieser als „Idiotentest“ bekannten Untersuchung wird von einem Psychologen auch beurteilt, ob der Drogenliebhaber ein stabiler Mensch ist. Fällt er durch, wird der Führerschein entzogen. „Die Kosten von bis zu 1.100 Mark müssen immer selbst bezahlt werden“, beschwert sich Rechtsanwalt Glathe über das Verfahren, mit dem vor allem Kiffer in Süddeutschland gepisackt werden.

Dringend notwendig sei die Einführung von Grenzwerten, fordert Glathe – allein um den Gleichheitsgrundsatz zu wahren. Denn während bei Alkohol ein befristetes Fahrverbot erst ab 0,8 Promille droht, kann Kiffern bei dem Nachweis geringster THC-Mengen im Blut der Führerschein entzogen werden. Doch in Deutschland gebe es keine „seriöse Forschung“ zu der Frage, welchen Einfluß Haschkonsum auf die Fahrfähigkeit habe. Ausführliche Studien, wie sie in Holland schon durchgeführt wurden, stehen in Deutschland noch aus. Ole Schulz