Drogen sind gefährlich, Spaß machen sie trotzdem

■ Rot-Grün zeigt sich blind gegenüber der Realität: Es gibt einen genußorientierten, autonom kontrollierten Drogenkonsum, und um Verbote schert sich die Cannabisszene ohnehin nicht

Gelobt sei, was gelobt werden muß. Die neue Bundesregierung ist dabei, den drogenpolitischen Stillstand zu überwinden. Vorüber sind die Tage, in denen die deutsche Drogenpolitik von bayrischen Provinzpolitikern konzipiert wurde. Fixerräume und die Abgabe von Opiaten, das wird jetzt gemacht werden. Auch soll Cannabis an HIV-Positive, Krebskranke und Schmerzpatienten verschrieben werden dürfen. Doch das wär's dann auch schon.

Auf die Legalisierung von Cannabis als Genußmittel konnten sich die Regierungsparteien nicht einigen. Bündnis 90/Die Grünen hatten im Wahlkampf zuviel versprochen. Erstaunlich nur, wie klaglos die grüne Partei diese Eliminierung eines Wahlkampfversprechens hinnahm, unfähig zu erkennen, damit ein klassisches Jugendthema preisgegeben zu haben.

Wie schon die alte verschließt sich auch die neue Bundesregierung der Einsicht, daß Drogenpolitik mehr zu sein hat als nur Gesundheits- und Rechtspolitik. Drogenkonsumenten werden auch von dieser Regierung als Menschen wahrgenommen, die grundsätzlich auf Hilfe von außen angewiesen sind. Diese Wahrnehmung ist blind gegenüber der Realität. Denn es ist allgemein bekannt und sollte endlich auch auf politischer Ebene offen ausgesprochen werden, daß es einen genußorientierten, autonom kontrollierten Drogengebrauch gibt. Die Mehrheit aller Konsumenten von psychoaktiven Substanzen nimmt sozial integriert und selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teil und ist auf keines der Hilfesysteme angewiesen.

Das ist der Stand der Diskussion. Das und nur das kann die Entscheidungsgrundlage bei der Formulierung einer neuen vernünftigen Drogenpolitik sein. Ob es ein juristisch verbrieftes Recht auf Rausch gibt, ist nebensächlich, wichtig ist einzig die Tatsache, daß ein erheblicher Teil der Bevölkerung sich ohne Schuld- und ohne Unrechtsbewußtsein dieses Recht einfach nimmt. Sie leben nach der Maxime: Drogen sind gefährlich, und Drogen machen Spaß. Die Entscheidung, eine Droge zu nehmen, ist nur eine von vielen Risikoabwägungen bei der Bewältigung des Alltages.

Ohne die Legalisierung des Anbaus, des Handels und des Konsums von Cannabis innerhalb bestimmter staatlich kontrollierter Rahmenbedigungen ist ein drogenpolitischer Neubeginn nicht möglich. Die SPD-Führung will diesen Politikwechsel nicht.

Bezeichnend für den sozialdemokratischen Kurs in der Cannabis-Frage ist das Lavieren von Innenminister Otto Schily. Eben noch will er die Legalisierung von Cannabis prüfen lassen, da folgt auch schon das Dementi, um kurz darauf erneut seine Bereitschaft zu bekunden, die Frage prüfen zu lassen. Soll er mal prüfen lassen. Viel Zeit wird er dafür nicht brauchen. Das Thema ist durch- und ausdiskutiert. Die von Schily befragten Sachverständigen werden, wenn sie nicht gerade einer Psychosekte angehören oder einer rechtspopulistischen Partei verpflichtet sind, bestätigen, daß es in Deutschland eine entwickelte Hanfkultur gibt. Das hat gerade auch der Suchtstoffkontrollrat der UN bestätigt. Weder die Justiz noch die Polizei sind in der Lage, sie aufzulösen oder zu zerschlagen.

Eine vernünftige Cannabispolitik wird über das viel gepriesene Coffee-Shop-Modell der Niederlande hinausgehen müssen. Den Konsum von Cannabis zu entkriminalisieren, den Handel zu dulden und die Produktion weiterhin zu kriminalisieren ist unlogisch, inkonsistent und unglaubwürdig. Die Konsumenten sind gezwungen, eine Droge quasi legal zum Preis der Illegalität zu erwerben. In vielen niederländischen Städten sind Dealer, die auch im Heroin- und Kokainhandel aktiv sind, in den lukrativen Cannabishandel eingestiegen. Das kriminelle Milieu beginnt direkt hinter dem Tresen des Coffee Shops. Damit wird die ursprüngliche Absicht des Coffee-Shop-Modells, den Markt von harten und weichen Drogen zu trennen, unterlaufen.

Mit ihrer angekündigten Cannabispolitik gerät die rot-grüne Regierung in Widerspruch zu ihrem pathetisch proklamierten Anspruch, Politik „wieder glaubwürdig“ zu machen, für Gerechtigkeit zu sorgen und eine Kultur des Diskurses zu fördern. Es ist weder glaubwürdig noch gerecht, wenn in einigen Bundesländern Jugendliche wegen des Besitzes von Haschisch oder Marihuana juristisch belangt werden, ihre Arbeitsstelle verlieren oder von der Schule verwiesen werden, während ihre Altersgefährten in anderen Bundesländern unbehelligt bleiben.

Um jedes Mißverständnis zu vermeiden: Es ist nicht so, daß die kiffende Jugend auf die Entscheidungen des Bundeskabinetts angewiesen wäre. Denn es gibt keine Probleme bei der Beschaffung. Hardcore-Kiffer wissen, wo sie sich versorgen können, und Mitraucher nehmen es eh, wie und woher es kommt. Günter Amendt