: „Da bin ich Pionier“
Juristische Website mit Irokesenschnitt: Der Hamburger Jugendrichter Achim Katz setzt auf Aufklärung per Internet ■ Von Elke Spanner
Damit man weiß, mit wem man es zu tun hat, gibt es die Rubrik „Achim Katz“. Das Portraitfoto baut sich von oben nach unten auf. Man hat bereits erfahren, daß der Herr schon einen leicht schütteren Haaransatz hat, wenn rechts daneben der Lebenslauf erscheint und den Beruf verrät: „Jugendrichter“. Vor einem etwas eintönigen Hintergrund stehend, lacht der Mann herzlich in die Kamera.
Achim Katz ist der Jugendrichter. Einer, der unter eben diesem Logo im Internet für eine neue Sichtweise der Jugendkriminalität kämpft. Und einer, der in nächtlicher Heimarbeit den Computer mit Erkenntnissen aus der Kriminologie füttert, „weil die Leute doch ein festes Bild über kriminelle Jugendliche im Kopf haben“.
Das Bild dieser Jugendlichen, das von ihren Taten und das ihrer RichterInnen will Katz neu zeichnen. Aufrecht fängt er bei seiner eigenen Spezies an. Neben seinem wenig furchteinflößenden Portrait hat er noch einen handgezeichneten Richterkollegen auf seiner Web-site ausgestellt – mit einem Irokesenhaarschnitt über der Robe.
Doch Katz kämpft nicht nur mit Bildern, sondern vor allem mit Worten. Mit einer Rubrik „news“, mit einem „Thema“, einem „Fo-rum“, mit „Interviews“ und „Links“ auf seiner Homepage. Unter den Kurznachrichten aus der Welt des Verbrechens erfährt man etwa: „Die Hinrichtung der Brüder La Grand in den USA hat für einige Tage die Gemüter bewegt.“ Leider erfährt man nicht, wessen Gemüter in Aufruhr gerieten und warum.
Zum Trost findet sich ein Hinweis zum Weiterlesen zum Thema „Todesstrafe“. Ebenso enthüllen die News, daß in Gießen ein Symposium zur „Jugend von heute: Täter und Opfer zugleich“ veranstaltet wurde. Nur über die dortigen Diskussionen kann der Hamburger Jugendrichter leider keine Auskunft erteilen.
Erst seit rund einer Woche ist Katz im Internet präsent, und schon „habe ich etliche Reaktionen bekommen“, erzählt er stolz. Per E-Mail seien etliche Glückwünsche bei ihm eingegangen. Ein Surfer habe ihm sogar schon Fragen geschickt, die er selbstredend umgehend beantwortet hat. Nur das „Forum“ sei bisher noch nicht genutzt worden, also der Ort, an dem Katz mit seinen Lesern Diskussionen führen will. Dafür gibt es unter der Rubrik „Thema“ einen „Leserbrief, der nie veröffentlicht wurde“ – geschrieben von Katz.
Der Jugendrichter fiebert nun auf Reaktionen seiner KollegInnen. Und da liegt ein schier unlösbares Problem. Die nämlich sind von der modernen Massenkommunikation ausgeschlossen. Im Gericht gebe es keinen Internetanschluß, bedauert Katz, und die wenigsten RichterInnen würden zu Hause darüber verfügen. „Da bin ich Pionier.“
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