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Reiseradlers Partnerwahl

■ Vor der Fahrradreise das Planungsspiel: Wo geht es lang, wer kommt mit, und ist nur der Weg das Ziel? Karten und Datenbanken erleichtern die Entscheidung, Schnuppertouren helfen gruppenpsychologisch auf die Sprüng

Radtouren sind heute kein Survivaltraining mehr. Auch wer das Individuelle liebt, muß nicht in die Irre fahren. Eine Fülle von Karten, Radwanderführern und Übernachtungsverzeichnissen mit radlergerechten Unterkünften machen die Orientierung leicht. Der ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) verfügt sogar über eine Mitradelzentrale, die versucht, Reiseradler mit ähnlichen touristischen Wünschen zusammenzuführen (siehe Kasten).

Wer das Planen weniger mag, sich aber so richtig verwöhnen lassen möchte, bucht die Radreise gleich pauschal. 170 Radreiseveranstalter mit insgesamt 995 Pauschaltouren bieten ihre umfassenden Dienste an. Was sich viele Radreisende ordentlich was kosten lassen. Frank Hofmann, stellvertretender ADFC-Bundesvorsitzender, hat Radreisen analysiert und festgestellt: Für einen Auslandstrip gab ein Pauschalradler 1998 rund 1.523 Mark aus. Weit mehr als die Economy-Flieger von TUI oder Neckermann. Um im Dickicht der zahlreichen Angebote das Passende zu finden, rät er: „Klären Sie Ihre Erwartungen: Suchen Sie die sportliche Herausforderung? Wollen Sie eine Genußtour? Oder zieht es Sie zu den klassischen Kulturstätten?“

Wie auch immer. Fast alle Veranstalter bieten Full-Service rund um die Uhr: Der Routenverlauf ist vorgegeben, für den Gepäcktransport wird gesorgt, der Werkstattwagen rollt langsam hinter der Gruppe her. Zum Frühstück wird Vollwertiges serviert, am Abend reichlich Pasta.

Wem das des Guten zuviel ist, wird die Radreise auf eigene Faust angehen – und muß sich dabei natürlich ein paar Gedanken mehr machen. Wichtigste Entscheidung vorab: Will ich allein auf die Piste gehen oder lieber zu zweit oder in der Gruppe? Eine Entscheidung, die wichtiger sein kann als die Wahl von Reiseziel und Jahreszeit oder die Zusammenstellung der Ausrüstung.

Alleinradelnde haben keinen, der sie aufbaut und antreibt. Jede Panne müssen sie selbst beheben, auch die Ausrüstung können sie mit niemandem teilen. Dafür genießen die Singles unter den Reiseradlern eine Menge Freiheiten: Ob Etappenplanung, Länge der Ruhepausen, Quartierauswahl – alles entscheiden sie ganz allein. Keine Kompromisse. Besser kann man sich vom Alltag kaum verabschieden. Außerdem: Alleinreisende Radler sind offen für neue (temporäre) Bindungen. Einheimische gehen gerne auf sie zu, bieten Hilfe an oder laden zu einem kleinen Imbiß ein. Wer zu zweit unterwegs ist, muß sich solche Kontakte viel mühsamer erarbeiten, weil man in der Regel als Team wahrgenommen wird, das sich selbst hilft.

Ein Radelduo harmoniert dann besonders gut, wenn es seine Schwächen kennt und sich darauf einstellt. Doch Konflikte lauern überall: Am Berg zieht die eine davon, beim Kochen hält sich der andere vornehm zurück, und bei der Wahl der Herberge prallen oft Welten aufeinander. Vorteil der Zweisamkeit: Vier Augen sehen mehr als zwei. Man tauscht sich aus, die unterschiedlichen Eindrücke ergänzen sich.

Besondere Probleme können auf Gruppenreisen auftreten. Faustregel: je größer die Teilnehmerzahl, desto differenzierter das Bild der einzelnen Etappen. Ist die Gruppentour geführt, lastet auf der Organisation eine riesige Verantwortung. Wenn die Fähre schon abgefahren ist, die Gaststätte pleite oder die Hotelreservierung versandet, können die Teilnehmer höchst unterschiedlich reagieren – und nicht immer zurückhaltend.

Der ADFC empfiehlt, die Gruppenerfahrung auf Rädern vorher auszutesten. Seine Ortsverbände bieten Feierabend- und Tagestouren sowie Wochenendausflüge an. Überall in Deutschland und mit unterschiedlichen Ausprägungen. Das Spektrum reicht vom eher gemütlichen Ausflug in die Belziger Landschaftswiesen bis zum MTB-Camp in den Vogesen.

Wer danach das Gefühl hat, das Radfahren war wunderbar, das Gruppenfeeling jedoch weniger, hat immer noch die Option, allein auf Tour zu gehen. Oder die Mitradelzentrale des ADFC in Anspruch zu nehmen. Für radreisewillige Singles mit Ansprüchen sicherlich eine brauchbare Idee. Karsten Klama

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