Beide Seiten zum Äußersten entschlossen

In Angolas neu aufgeflammtem Krieg hat die UNO nichts mehr zu melden und zieht nun ab. Die Propaganda der Regierung im Kampf gegen die Unita-Rebellen erscheint indes wenig glaubwürdig  ■   Aus Luanda Kordula Doerfler

Das Haus der „Gemeinsamen Kommission“ ist dunkel. Einer der häufigen Stromausfälle in Angolas Hauptstadt Luanda läßt die verwaisten Büros noch trostloser erscheinen. Die Arbeit der UN-Mission in Angola ist seit Ende Februar offiziell beendet, ihr Mandat wurde nicht verlängert, und heute ist der offizielle Stichtag zum endgültigen Abzug.

Nur ein kleines Kontingent von UN-Truppen wird in Luanda noch die eigenen Einrichtungen schützen. Der Rest der zuletzt noch etwa 1.000 Blauhelme, Polizisten und zivilen Mitarbeiter verläßt das Land. „Wir lassen Angola nicht im Stich. Wir ziehen uns nur eine Zeitlang zurück“, beteuert wider alle Wahrscheinlichkeit der UN-Sondergesandte Issa Diallo.

Zurück bleiben nur die humanitären Abteilungen der UNO, gegen deren Hilfe auch die Regierung von Präsident Eduardo dos Santos wenig einzuwenden hat. Ansonsten fällt die Bilanz nach elf Jahren UN-Präsenz traurig aus. Rund eine Million US-Dollar am Tag kostete der teuerste UN-Einsatz in Afrika. Ihr Mandat der Friedenssicherung aber haben die Blauhelme nicht erfüllt. In Angola herrscht wieder Krieg.

Dabei schienen noch vor zwei Jahren die Zeichen auf Erfüllung des Lusaka-Friedensabkommens von 1994 günstig. Die Unita und die regierende MPLA setzten sich in eine Regierung der Nationalen Einheit, die Rebellen behaupteten, sich vorschriftsgemäß zu entwaffnen und das von ihnen besetzte Gebiet allmählich zurückzugeben. Es schien nur folgerichtig, daß auch die UN-Mission auf eine Beobachtertätigkeit zurückgeschraubt wurde.

Doch die Beschönigungen der UN-Beobachter wurden ihnen zum Verhängnis, die verbleibenden Truppen gerieten zum Spielball zweier Erzfeinde, die keineswegs zur Aussöhnung bereit waren. Auf mysteriöse Weise kam Mitte 1998 der UN-Beauftragte Alioune Blondin Beye bei einem Flugzeugabsturz über der Elfenbeinküste ums Leben. Sein Tod wird wohl ebensowenig aufgeklärt werden wie der spätere Abschuß zweier UN-Maschinen im Hochland von Angola Ende Dezember. Erst danach sah UN-Generalsekretär Kofi Annan ein, daß die Mission komplett gescheitert war. Die Hauptverantwortung dafür gab er den Unita-Rebellen.

Doch auch Angolas Regierung hatte seit Monaten auf den Abzug der UNO gedrängt. In Luanda ist man zum Krieg entschlossen, und den möchte man lieber ohne Zuschauer führen. Zu ihrer Stärkung hat die Regierungsarmee offenbar die meisten ihrer bislang in der Demokratischen Republik Kongo kämpfenden Soldaten nach Angola zurückgezogen, und die staatlich kontrollierten Medien, die einer faktischen Nachrichtensperre unterliegen, strahlen bunte Mobilmachungsspots aus. „Angola sagt: Es reicht! Angola wird siegen!“ heißt es darin.

Die Realität sieht anders aus. Als die Regierung im Dezember zum vermeintlich endgültigen Schlag gegen die Unita ausholte, mußte sie unter großen Verlusten einsehen, daß die Rebellen trotz der zahlreichen internationalen Sanktionen gegen sie militärisch stärker waren als je zuvor. Nun sind Unita-Truppen überall in Angola Richtung Küste auf dem Vormarsch. Die Regierung hält lediglich noch Luanda, den schmalen Streifen an der Atlantikküste und die Mehrzahl der Provinzhauptstädte.

Ohne die zahlreichen internationalen Hilfsorganisationen wäre es längst zu einer Hungersnot gekommen. 650.000 Flüchtlinge gibt es nach neuesten UN-Zahlen, und etwa ein Drittel der 11 Millionen Einwohner Angolas leben in der völlig überfüllten Hauptstadt Luanda. Die von der Unita belagerten Provinzhauptstädte Huambo, Kuito und Malange sind unter der Last ihrer Flüchtlinge kurz vor dem Kollaps. Die Unita wäre in der Lage, sie einzunehmen – aber Unita-Chef Jonas Savimbi verlegt sich darauf, das Land so weit wie möglich zu destabilisieren.

Weite Teile des Binnenlandes sind nun für Außenstehende wieder vollkommen unzugänglich. Die meisten Städte sind nur auf dem Luftweg erreichbar. Viele Straßen werden wieder neu vermint oder liegen im Kriegsgebiet. Zudem häufen sich Überfälle auf Hilfstransporte, hinter denen meist halbverhungerte und seit Monaten nicht bezahlte Regierungssoldaten vermutet werden.

Trotz der staatlichen Propaganda, die einen raschen Sieg verspricht, richtet sich Luanda auf mindestens zwei bis drei Jahre Krieg ein. „Beide Seiten verfügen über ausreichende Mittel, um erneut einen jahrelangen Krieg zu finanzieren“, sagt ein westlicher Diplomat. „Beide Seiten sind entschlossen, ihn jetzt bis zur endgültigen Niederlage der Gegenseite aufzunehmen“, glaubt auch ein hoher UN-Beamter, der jetzt das Land verläßt. Denn die Ausbeutung der Bodenschätze, mit denen beide Seiten sich finanzieren – Öl für die Regierung, Diamanten für die Unita – wird durch die Kämpfe kaum beeinträchtigt.