: Kleinigkeiten machen die Kleinen kleinlich
■ Nach dem 1:2 gegen Meister Kaiserslautern ruft Bochums Toppmöller den Klassenkampf aus
Bochum (taz) – Ein Hauch von Klassenkampf weht durch das Ruhrgebiet. Bochums Trainer Klaus Toppmöller überlegt, ob „wir es in Zukunft wie 1860 München machen und die Betreuung der Schiedsrichter grundsätzlich ablehnen“. Beim VfL fühlt man sich systematisch benachteiligt. Gegen Dortmund und Schalke habe der Schiedsrichter jeweils ein reguläres Tor nicht anerkannt. Und auch für das 1:2 gegen den 1.FC Kaiserslautern machte Toppmöller den Unparteiischen Strampe mitverantwortlich. Toppmöllers Schlußfolgerung: „Vielleicht sollen die Kleinen ja klein bleiben.“ Auch Torhüter Thomas Ernst sagt, „daß man sich schon fragt, was da immer passiert“. Insgesamt sei festzustellen, daß „in der Bundesliga die Kleinigkeiten immer für die Großen und gegen die Kleinen gepfiffen werden“.
Schlecht verlieren können die Bochumer jedenfalls schon genauso gut wie die prominenten Kollegen. Denn spielentscheidende Fehler unterliefen Strampe am Samstag nicht. Der VfL Bochum scheiterte vielmehr daran, daß die junge Mannschaft genauso agierte, wie der Trainer argumentierte: forsch, rotzfrech – aber in den entscheidenden Momenten kopflos. „Zur Halbzeit hätten wir schon 3:0 führen müssen“, klagte Toppmöller nach der Partie. Denn in den entscheidenden Situationen fehlte den Bochumern die nötige Besonnenheit und Reife. Bestes Beispiel: Andreas Zeyer. Der Mittelfeldspieler tauchte ganz allein vor Kaiserslauterns Torwart Andreas Reinke auf. Doch anstatt mit einem schnöden Flachschuß das 1:0 zu erzielen, legte er quer auf Delron Buckley. Chance vertan.
Zeyer suchte daraufhin minutenlang den Blick von Toppmöller. Doch der blickte entgeistert zu Boden, erteilte seinem Mittelfeldspieler die Absolution erst, als er drei Minuten vor der Pause das 1:0 markierte. Vom Meister war bis dahin nicht viel zu sehen gewesen. „Man hat in der ersten Halbzeit gemerkt, daß wir physisch und psychisch nicht gut drauf waren. Das Spiel gegen die Bayern hatte sehr viel Kraft gekostet“, sagte Trainer Otto Rehhagel, der mit einer sehr defensiven Aufstellung begonnen hatte. Libero Ciriaco Sforza blieb meist hinter den Manndeckern Samir und Koch. Im defensiven Mittelfeld spielte Hany Ramzy, Axel Roos sicherte auf der rechten Seite gegen den schnellen Buckley ab.
Es war erstaunlich, wie Kaiserslautern trotz Rückstand und Champions-League-Belastung das Spiel nach der Pause dominierte. Das lag vor allem an der Einwechslung von Ratinho. Der Brasilianer sorgte für spielerische Linie – und erzielte gegen den bedrohlich herausstürmenden Ernst sein erstes Kopfballtor in der Bundesliga. „Mäuschen macht ein Kopfballtor, einmalig“, lobte Rehhagel eher süffisant. Ratinho gab zu, daß er Ernst nicht gesehen hatte: „Wenn ich den Torwart gesehen hätte, wäre ich doch gar nicht hingegangen.“ Der Techniker wollte nicht tollkühn erscheinen.
Der VfL Bochum muß sich jetzt wieder auf den Abstiegskampf einstellen. „In Frankfurt müssen wir voll angreifen“, fordert Ernst. Hoffentlich trifft den VfL dieser Rückschlag nicht unvorbereitet. Denn in den letzten Tagen hatte Toppmöller vor allem über die hervorragenden Perspektiven seiner jungen Mannschaft sinniert. Vom Abstiegskampf war da keine Rede. Kaiserslautern treibt die „einmalige Motivation, den zweiten Platz zu festigen“ (Rehhagel). Denn die Pfälzer wollen sich wieder für die liebgewonnene Champions- League qualifizieren.
„Die Champions League ist das Dessert. Die Bundesliga die Hauptmahlzeit. Ohne Dessert kann man leben, ohne Hauptmahlzeit nicht.“ Auch wenn Ratinho betont, daß der Bundesliga immer die Priorität einzuräumen sei: Die Privilegierten bekommen Nachtisch. Markus Geling
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