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„Wir müssen üben, üben, üben“

Das 2:2 zwischen Nürnberg und Frankfurt bedeutet: Einer von beiden steigt mindestens ab. Wer? „Wir nicht“, sagt Club-Trainer Rausch, „wir auch nicht“, Eintrachts Fanz  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – „Das Schicksal mischt die Karten und wir spielen“, hat Arthur Schopenhauer als eine seiner vielen Lebensweisheiten preisgegeben. Friedel Rausch, der als Trainer des 1.FC Nürnberg das Abstiegsduell gegen Eintracht Frankfurt vor dem Anpfiff als „Schicksalspiel ohne Wenn und Aber“ klassifiziert hatte, hat nach seinen jüngsten Erfahrungen eine ganz andere Weisheit parat: „Im Fußball gibt es kein Schicksal.“

Das für den Club zu magere, für Frankfurt aber durchaus zu Hoffnungen Anlaß gebende 2:2 will Rausch nicht als Form der höheren Gewalt oder Fügung irgendwelcher mysteriöser Mächte einstufen. Zu einfach ist das Spiel der beiden Abstiegsaspiranten denn auch erklärt: Der Frankfurter Eintracht reichte ein trotz Darmgrippe reaktionsschneller und stellungssicherer Torwart Nikolov, ein Ideengeber wie Sobotzik und ein Vollstrecker wie der Chinese Chen Yang, um aus dem Nürnberger Frankenstadion einen Punkt zu entführen. Beim Club waren ein souveräner Andreas Köpke und das gewohnt treffsichere Stürmerduo Sasa Ciric und Pavel Kuka die Garanten dafür, um wenigstens das zehnte Unentschieden im zwölften Heimspiel zu sichern.

Während Eintracht-Trainer Reinhold Fanz hinterher seine Mannschaft lobte, daß sie sich „sehr gut gewehrt“ habe, konstatierte Rausch eloquent, aber dennoch zerknirscht, daß sein Team „keinen guten Fußball“ geboten und zudem noch das „Schlachtenglück“ gefehlt habe. „Es geht immer weiter, irgendwie müssen wir da durch“, sagte der Club-Trainer und hätte damit fast doch noch das Schicksal bemüht, bevor er genau dieses „irgendwie“ näher umriß: „Wir müssen üben, üben und noch mal üben.“

Genau dafür haben die beiden Aufsteiger ja ihre Übungsleiter. Beide haben sie in der laufenden Spielzeit bereits gewechselt. Nach dem Rauswurf von Horst Ehrmanntraut wollte das Eintracht- Präsidium mit Reinhold Fanz den „Anschluß an Europa schaffen“. Der Club hoffte nach Willi Reimanns Abgang, mit Rausch nicht nur im nächsten Jahr passend zum 100. Vereinsjubiläum noch erstklassig, sondern auch so langsam auf den Weg nach oben zu sein.

Man darf vermuten: Beide Vereine sind ungefähr gleich weit von solchen Höhenflügen entfernt. Beiden ist offenbar klar, daß einer von ihnen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der nächsten Saison zweitklassig sein wird. In Nürnberg wäre das bei einem gleichzeitigen Aufstieg des Lokalrivalen SpVgg Greuther Fürth der „worst case“, der sportliche Super-GAU. So ruhen nun alle Hoffnungen auf einer mit Köpke und dem holländischen Neuzugang René van Eck sich stabilisierenden Abwehr und darauf, daß der nach Jancker/Elber zweitbeste Sturm der Liga, Ciric und Kuka, nicht mehr so viele Chancen ausläßt.

Nürnbergs Schwachpunkt ist und bleibt das Mittelfeld. Nach dem Beinbruch und Bänderriß des von Bayern München und Schalke 04 heftig umworbenen Michael Wiesinger fehlt es nun völlig an Kreativpotential. Neueinkauf Zivojin Juskic erwies sich bislang als Flop, der als „Häßler der Ukraine“ gepriesene Andrej Polunin zeigte sich als zu wenig robust im Abstiegskampf, und der gegen Frankfurt zur Überraschung aller erstmals wieder eingesetzte Thomas Ziemer gab zwar den Traumpaß zum 1:1-Ausgleich, verschuldete aber durch einen unnötig verlorenen Zweikampf die erneute Frankfurter Führung.

Die Eintracht hat im Mittelfeld mit Sobotzik, Schneider und Brinkmann im Vergleich zum Club ein Plus, dagegen ist ein Yang im Sturm auf Dauer wohl zu wenig, um die für den Klassenerhalt so nötigen Dreier einzufahren.

Der Zweikampf um den Klassenerhalt bleibt also spannend, zumal beide Teams zu Hause jeweils zwei unmittelbare Konkurrenten (Club: Gladbach, Frankfurt: Rostock) und potentielle Abstiegsaspiranten (Club: Duisburg; Frankfurt: Bochum) empfangen. „Wir steigen nicht ab, obwohl es nun immer enger wird“, verkündet Rausch schon mal trotzig, und Fanz fügte schnell „wir auch nicht“ hinzu. Vielleicht trifft dann doch irgendwann das Schicksal die Entscheidung: „Nur wenn sie reif ist, fällt des Schicksals Frucht“, hatte Johanna in Schillers „Jungfrau von Orleans“ vorausgesagt. Doch wann ist sie reif?

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