Rütteln an Margaret Thatchers Erbe

■ Beim morgen beginnenden EU-Gipfel braucht Großbritannien einen Erfolg bei der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik

Dublin (taz) – Natürlich geht es den Briten ums Geld, da unterscheidet Großbritannien sich nicht von den anderen EU-Ländern. Aber bei der Debatte um die Agenda 2000 haben sie sich lange Zeit erstaunlich zurückgehalten. Man will das lieber die Deutschen und Franzosen untereinander ausfechten lassen – Hauptsache, an den EU-Rückzahlungen nach London wird nicht gerüttelt. Doch damit werden sie voraussichtlich nicht durchkommen: Auf dem EU-Gipfel in Berlin steht die britische Extrawurst auf der Tagesordnung.

1984 hatte Premierministerin Margaret Thatcher ausgehandelt, daß Großbritannien zwei Drittel des Unterschieds zwischen den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer, die das Land an die EU zahlt, und den Zuschüssen aus den EU-Töpfen zurückerhält. Das sind zur Zeit 2 Milliarden Pfund im Jahr. Grund war, daß damals Großbritannien zweitgrößter Nettozahler der EU war, obwohl es ärmer war als beispielsweise Frankreich.

Schatzkanzler Gordon Brown meint, die Rückzahlungen seien noch heute gerechtfertigt und blieben es auch dann, wenn die EU die Rechnungen für die Osterweiterung zahlen müsse. Schließlich sei man auch jetzt fünftgrößter Nettozahler, aber nur elftreichste Nation in der EU. Thatcher-Enkel Tony Blair erklärt das Erbe der Eisernen Lady ebenfalls als „nicht verhandelbar“, doch wird er angesichts der geballten Opposition der anderen 14 EU-Länder am Ende möglicherweise einlenken müssen.

Das weiß auch der Europa-Ausschuß des Londoner Oberhauses. Vor kurzem drängte der Vorsitzende, Labour-Lord Grenfell, den Premierminister in einem Bericht, auf die Rückzahlungen im Interesse einer Gesamtlösung der EU-Finanzprobleme zu verzichten. Blair verwarf den Bericht zwar, denn folgte er Grenfells Empfehlung ohne Widerspruch, wäre das Wasser auf die Mühlen der Europa-Gegner. Doch strebt er – mit Hilfe Deutschlands, das Ende letzter Woche einen neuen Vorschlag vorstellte, der London ein Stück weit entgegenkommt – wohl einen Kompromiß an, den er zu Hause als Erfolg verkaufen kann.

Bisher sind die britischen Erfolge eher mager.

Landwirtschaftsminister Nick Brown konnte sich Ende vorigen Monats nicht richtig mit seinem Versuch durchsetzen, die EU-Subventionen für die Landwirtschaft abzubauen. Das verhinderte vor allem Frankreich, wo die Bauern seit 30 Jahren am stärksten von den EU-Subventionen profitieren. So ist das Paket für die Finanzierungsperiode von 2000 bis 2006 noch immer 7 Milliarden Euro teurer als geplant.

Wegen des französischen Einspruchs konnte sich Brown auch nicht mit seiner Forderung nach Abschaffung der Milchquoten durchsetzen, obwohl ihm die besonders am Herzen lag. Der britische Bauernverband hatte Brown darin unterstützt. Die Milchquote, die 1984 eingeführt wurde, verzerre „den Wettbewerb und ist teuer, wenn man sie kaufen muß, weil sie an das Land gebunden ist“, sagte ein Sprecher des Verbands. „Das bedeutet, daß die Milchbauern immer älter werden, während es sich jüngere Bauern nicht leisten können, in diese Industrie einzusteigen.“ Nun wird die Reform des Milchmarktes erst 2003 beginnen, die Garantiepreise werden dann in drei Schritten um insgesamt 15 Prozent gesenkt, die Quoten heraufgesetzt.

Danach will man wieder von vorne verhandeln, um den Milchmarkt völlig freizugeben. Dieses Ziel verfolgt jedenfalls die „Londoner Gruppe“, die von der britischen Regierung gemeinsam mit Schweden, Dänemark und Italien gegründet worden ist. Zu den Massendemonstrationen der Bauern in Brüssel im vorigen Monat entsandte der britische Bauernverband denn auch nur 30 Leute. „Massendemonstrationen sind nicht unser Stil“, sagte der Generaldirektor Richard Macdonald.

Nick Brown sagte, tiefgreifende Reformen seien notwendig, um eine Explosion der CAP-Ausgaben zu vermeiden. Das sei besonders wichtig wegen der Osterweiterung, die viele tausend bedürftige Bauern in die EU bringen werde, sowie wegen der Verhandlungen der Welthandelsorganisation um freieren Welthandel bei Lebensmitteln und Landwirtschaftsprodukten. Doch die Suche nach Finanzierungsmodellen haben die Agrarminister ihren Kollegen aus den Finanzministerien zugeschoben. Ralf Sotscheck