Weltstadt, Provinz etc.
: Es warten wirklich große Zeiten

■ Man sollte den Weitblick der Berliner Politik nicht unterschätzen – die Saubermänner rüsten auf. Einen Aspekt haben sie jedoch nicht bedacht: Sie könnten sich damit selbst entsorgen

Mal ehrlich: Sehr viele Impulse sind in den vergangenen Jahren von der Berliner Politik nicht ausgegangen. Ein bißchen Krisenmanagement hier, ein paar Verkäufe von Staatsbetrieben da, mehr war nicht, sieht man einmal ab von der – sagen wir – eigenwilligen Meinung des Senats zum Holocaust-Mahnmal oder der Bezirksreform, deren Verwirklichung rücksichtsvollerweise erst in einigen Jahren ansteht.

Doch nun erreicht uns eine Meldung aus dem Bundesrat, die nachdenklich stimmt. Wie es aussieht, wird demnächst – einer Initiative Berliner Politiker folgend – die höchstrichterliche Rechtsprechung in Sachen Sachbeschädigung geändert werden. Endlich wirksamer Schutz des Eigentums, das wurde ja auch Zeit. Bisher war es nämlich so: Der Tatbestand der Sachbeschädigung war nur dann erfüllt, wenn ein Objekt durch unbefugten Eingriff in „seiner Substanz verletzt oder in der technischen Brauchbarkeit beeinträchtigt“ wurde.

Auf Betreiben Berlins soll dieser Tatbestand künftig durch „das Merkmal des Verunstaltens ergänzt“ werden. Hut ab, so viel Cleverness muß sein, wenn man nicht nur Hauptstadt, sondern Metropole sein will: Oberflächlich betrachtet geht das natürlich gegen die zahlreichen Graffiti- Sprayer in der Stadt. Die juristisch dranzukriegen, war in der Vergangenheit nicht so leicht, wie sich das manche wünschen. Schließlich ließen sich die meisten Graffiti, zugegeben, mit etwas Aufwand, aber doch ohne die Substanz zu verletzen oder das besprühte Objekt in seiner technischen Brauchbarkeit zu beeinträchtigen, einfach wieder abwaschen. Aber man sollte den Weitblick Berliner Politik nicht unterschätzen.

Denn das „Merkmal des Verunstaltens“ kann man auch noch ganz anders interpretieren. Ungeahnte Gestaltungsmöglichkeiten tun sich auf, gerade im mikropolitischen Bereich. Architekten, die unschöne Häuser bauen? Der Nachbar, der sich ein Auto kauft, dessen Farbe nicht gefällt? Endlich hat der Bürger ein wirksames Instrument an der Hand, mit dem er solche Auswüchse unterbinden kann. Und warum das Private tabuisieren? Der Freund sieht nicht mehr aus wie zwanzig und wird fett? Kein Problem, der wird angezeigt: Verunstaltung des Lebensraums, respektive Sachbeschädigung. Jetzt muß bloß noch der Bundestag entscheiden. Große Zeiten warten. Ulrich Clewing