Anwar-Prozeß beendet

■ Malaysisches Gericht will das Urteil gegen den Politiker im April verkünden

Bangkok (taz) – Der bizarre Prozeß gegen Malaysias früheren Vizepremier Anwar Ibrahim endete gestern mit einem Eklat: Nach scharfem Wortwechsel drohte Richter Augustine Paul, die sieben anwesenden Verteidiger des Politikers allesamt wegen Mißachtung des Gerichtes einzusperren.

Zuvor hatten die Anwälte sich geweigert, ihr Schlußplädoyer zu halten. Statt dessen forderten sie Richter Paul auf, zunächst über einen Antrag Anwars zu entscheiden, der ihn wegen Befangenheit ablehnen wollte. Doch Paul, der ohne Beisitzer und Geschworene verhandelt, weigerte sich, über die Forderung zu entscheiden. Er kündigte an, das Urteil am 6. April zu fällen. Danach schloß er abrupt das Verfahren, das mit 73 Prozeßtagen zu den längsten in der malaysischen Rechtsgeschichte zählt und international für großes Aufsehen gesorgt hatte.

Der 51jährige Anwar, langjähriger enger Vertrauter des Premiers und dessen designierter Nachfolger, war im vergangenen September in Ungnade gefallen und vom Regierungschef aus allen politischen Ämtern entlassen und kurz darauf verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft wirft Anwar vor, er habe in vier Fällen sein Amt mißbraucht, um in Malaysia illegale homosexuelle Beziehungen zu vertuschen. Darüber hinaus soll Anwar Verhältnisse mit anderen Frauen gehabt haben.

Dafür drohen ihm in jedem einzelnen Punkt 14 Jahre Haft und eine Geldstrafe von umgerechnet rund 8.000 Mark. Wenn er verurteilt wird, darf er fünf Jahre lang nicht mehr politisch aktiv sein. Sechs weitere Verfahren wegen Amtsmißbrauchs und Homosexualität stehen ihm noch bevor.

Anwar weist alle Beschuldigungen weit von sich und behauptet, er sei das Opfer einer „politischen Verschwörung auf höchster Ebene“. Mahathir verfolge ihn, weil er gegen Korruption und Vetternwirtschaft gekämpft habe. In seinem 16seitigen Befangenheitsantrag gegenüber Richter Paul hatte er zahlreiche Gründe aufgelistet, warum er „keinen fairen Prozeß“ erhalten habe: Wochenlang, so Anwar, konnten die Zeugen der Anklage zum Beispiel ausführlich über angebliche sexuelle Ausschweifungen Anwars sprechen. Doch bevor die Verteidigung auf die Vorwürfe antworten konnte, änderte die Staatsanwaltschaft plötzlich ihre Anklage. Richter Paul verbot es der Verteidigung auch, zu beweisen, daß die Anklagen gegen Anwar auf einer politischen Verschwörung beruhten – das Konzept der Verteidigung brach daraufhin zusammen. Wie das Urteil ausfallen wird, ist noch völlig ungewiß. Jutta Lietsch