Wenn Wünsche die Wohnung verlassen

■ Eine kleine Utopie: Margit Czenki dokumentiert mit ihrer überhaupt nicht funktionellen Filmcollage Park Fiction das kollektive Kunstprojekt am Hafenrandgebiet

Am Anfang war das Dickicht, grün, undurchdringlich, ein bißchen verwackelt. So gar nicht links, Barrikade, Hafenstraße, so gar nicht St. Pauli – aber auch nicht ordentlich, gepflegt, funktionell. Und schon gar nicht Natur pur. Kein unberührtes Fleckchen Erde mit Panorama-Blick und endloser Weite. Dann sieht man Gesichter, die träumen.

Aber Träume haben in Margit Czenkis Park Fiction nichts Weltent-rücktes, sind nicht Flucht aus dem Alltag ins Private, sondern Impuls zur Veränderung der Wirklichkeit. Einer der Schlüsselsätze des Filmes heißt: „Der Park ist ein utopischer Ort. Sein Vorbild ist das Paradies.“ Aber anders als die herrschende Lehre will, sind Utopien hier nichts, woran man sich in den Sessel zurückgelehnt erfreut, um dann gut ausgeruht im Allltag wieder funktionieren zu können.

Die Utopie ist Tagesaufgabe: Ein Mann jagt mit dem Park-Action-Kit durch die Straße; er hat schon seit vielen Jahren wenig Zeit, weil er die Wünsche sammelt, von denen das Projekt „Park Fiction“ lebt. Er läßt Kinder, Künstler und andere Konsorten aus Knete bauen, was sie dereinst auf dem 20.000 qm großen Gelände wiederfinden wollen: Badewannenbaumhaus, verschiebbare Inseln mit künstlichen Palmen, Heckenlabyrinth, Briefschränke für Jugendliche, die Geheimnisse vor ihren Eltern haben wollen. Und während er rasant fürs Wunscharchiv sammelt, erzählen andere über Politik und Parks, über Seeräuberinnen, über das Ende des Floraparks, über eine Allee der Freundschaft und über den Luna Park auf Coney Island. Und alles als Gegenentwurf zur Askese der Lebensreformer.

Sie erzählen, aber genauso sehr wie auf den Inhalt der Worte kommt es auf die Töne, Gesten und Bildgeschichten an, die die Erzählungen begleiten. Die vielen Elemente in dem dokumentarischen und inszenierten Film führen ein Eigenleben: Der Ton läuft asynchron, die Kamera sucht sich ihre eigenen Wege, die Filmbilder werden von Fotos und Collagen unterbrochen, und wenn jemand gestikuliert, geistert garantiert irgendwo Schorsch Karmerun als besserwisserischer Vertreter mit gelbgetönter Pilotenbrille und Aktenkoffer im Hintergrund herum und droht sich nach vorne zu spielen. Das ermöglicht den ZuschauerInnen abzuschweifen, sich auf das zu konzentrieren, was sie gerade am meisten interessiert: die Tradition des Gartens im Islam, die ideologischen Hintergründe deutscher Städteplanung und die Idee der kommunizierenden Röhren, die Wohnungen und Park akustisch verbinden sollen, der private Lauschangriff.

Der Film schreibt keine spezielle Wahrnehmung vor, er gibt nicht nur vor, eine Collage zu sein. Die Low- bis No-Budget-Produktionsbedingungen, die bedingt haben, daß auf Super 8 gedreht wurde und jedes einzelne Bild mit einer alten Trickkamera auf 16 mm aufgeblasen werden mußte, haben den Charakter des Montierten noch verstärkt. Das eigentlich Überraschende ist, daß Park Fiction trotz der Einfälle und vielen Geschichten nicht einfach auseinanderfällt. So ist der Film selbst eine kleine Utopie.

Oliver Tolmein

Do, 25., 19 Uhr; Di, 30. März, 19.15 Uhr, Metropolis