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■ Die Slowfoodbewegung lädt Ende April zum kulinarischen Festival nach LübeckGenuß als grandioses Ganzkörpererlebnis

Es wird die Feuertaufe für Slowfood Deutschland. Nach den etwas verunglückten Anfängen der beiden ersten Geschmackfestivals in Münster und im vorigen Jahr in Frankfurt wollen die langsamen Genießer diesmal ein großes und anspruchsvolles Programm stemmen.

„Lübeck – ein Genuß“: Zum kulinarischen Festival vom 23. bis 25. April erwartet die alte Hansestadt an der Ostsee vierzigtausend Besucher, neunzig Toperzeuger aus Deutschland und Europa und einen dicht gepackten Veranstaltungsmarathon. Einsteigen, anschnallen und alle Sinne auf Empfang: Selbst wenn nur die Hälfte klappt, wird die Republik ihre bisher ambitionierteste kulinarische Veranstaltung erleben.

Nach dem Erfolg des „Salon des Geschmacks“ in Turin stehen auch in Lübeck eine Reihe von Geschmackserlebnissen für die Besucher im Mittelpunkt. Getreu der von Cheforganisator Lothar Tubbesing ausgegebenen Devise „Genuß als Ganzkörpererlebnis“ sind die kulinarischen Entdeckungen mit Film, Theater, Malerei und Philosophie gekoppelt. Zum Anfixen stellen wir eine kleine Auswahl des Lübecker Programms vor.

„Babettes Fest“, das Stück für zwei Schauspieler und vierzig essende Gäste, wird Freitag abend gegeben. Mitten im Restaurant „Lachswehr“ sitzen die Mimen am Tisch und spielen die Geschichte aus Tania Blixens wunderbarem Roman. Drumrum gucken und tafeln die Gäste. Das Originalmenü aus dem gleichnamigen Film wird aufgetragen: Mockturtlesoup, Buchweizenblini mit Lachskaviar, Wachteln im Sarkophag, Baba au Rhum mit eingelegten Früchten.

Getreu der Slowfoodphilosophie soll in Lübeck aber nicht Haute Cuisine und Küchenmikado serviert werden, sondern vor allem einfache regionale Küche. „Appelwoi und Käs“ heißt eine bodenständige Veranstaltung am Sonnabend oder der „Geschmack des Nordens“ mit „Boddermelksupp und Klümp“, dem „Groten Hans mit Schweinebacke und erröteter Jungfrau“, dazu Lübecker Biere, Korn, Teepunsch.

Ähnlich nordisch wird es bei „Heidesand in Köchehand“. Auf den Teller kommen Trüschensuppe, Schnuckenbrust mit Zwiebelmarmelade und Sauerkrautknödel. Wer die südlichere Variante bevorzugt, darf „Dotschtauch und Striezl“ probieren oder „ausgebackenes Euter“ in einer Veranstaltung über den Urgeschmack der Bajuwaren. Alle Geschmackserlebnisse werden kommentiert. Weitere Highlights sind die Veltliner-Probe mit Österreichs Winzerstolz Willy Bründlmeyer, die Genever-Wodka-Akvavit-Korn-Vergleichsdegustation zusammen mit Mettwürsten aus Deutschland oder die „Brot & Schmalz & Whiskey“-Probe. Austern aus sechs Meeren werden zusammen mit Rheingauer Chardonnays verkostet. Dazu die unvermeidbare Talkshow, Marktweiber, viel Marzipan, seltene Haustierrassen zum Anfassen und als durchgehender Schwerpunkt des Festivals die Verkostung von „Archeprodukten“ (vom Aussterben bedrohte Nahrungsmittel).

Einige Geschmacksproben finden in historischen Lübecker Häusern statt. Spitzenerzeuger aus Europa, Winzer, Käser, Metzger, Konditoren, Vinaigriers werden ihre Stände auf dem Marktplatz aufbauen, dem Mittelpunkt des Festivals. Eine ungewöhnliche ökumenische Tafelrunde wird sich in der Lübecker Petrikirche treffen: Essen in heiligen Hallen, dazu vier Tischreden über Speiseregeln des jüdischen Glaubens, über das Mahl aus philosophischer Sicht, über die Tafel in der christlichen Religion und über Literatur und Essen.

Das komplette Programm des Festivals steht im Internet unter http://www.slow food.deManfred Kriener

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