Nicht bahnbrechend

Auch im neuen Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg kommt das Fahrrad noch nicht richtig ins Rollen  ■ Von Martin Reichert

„Mit dem Rad jehn se mal schön nach hinten, junger Mann!“ In der U 2 wird man vom Fahrer persönlich angeschnauzt, zumal als Radfahrer. Auch mit dem Start des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) ab 1.April dieses Jahres bleibt alles wie gewohnt: Für die Fahrradmitnahme muß weiterhin bezahlt werden, ausgenommen die Nutzer von Schüler-, Senioren- und Azubi-Monatskarten sowie die glücklichen Besitzer einer „Umweltkarte Premium“ (für den ABC-Bereich 138 Mark). Der Rest zieht eine Zeitkarte für seinen Drahtesel und hofft, nicht gerade in die Sperrzeiten der BVG zu geraten, denn in der Zeit des Berufsverkehrs ist die Mitnahme nicht nur unerwünscht, sondern untersagt. Andere Verkehrsbetriebe des VBB wie die S-Bahn und auch die Deutsche Bahn AG geben sich zwar fahrradfreundlicher, doch scheiterte, was ein umweltpolitisches Signal hätte werden können, an der „dilettantischen Tarifverfassung des VBB“, wie Michael Cramer von den Grünen schimpft. Als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses setzt er sich für die kostenlose Mitnahme von Fahrrädern ein, ein entsprechender Antrag wurde sogar einstimmig angenommen. Doch obwohl der Senat die Tarife des VBB genehmigen muß, sind mal wieder alle Züge abgefahren. Cramer macht die Mentalitäten innerhalb der Verkehrsbetriebe verantwortlich: „Fahrräder gehören auf die Straße, nicht in die Bahn“, sei bei der BVG zu hören, das Fahrrad steht hauptsächlich im Ruf, irgendwie im Weg zu stehen und die Kleidung der Fahrgäste zu beschmutzen.

Das Platzargument steht im Gegensatz zu den tatsächlichen ein bis zwei Prozent der Fahrgäste, die die Möglichkeit der Fahrradmitnahme nutzen. „Viele haben die Preistreiberei einfach satt und fahren nur noch Rad oder steigen, schlimmer noch, auf das Auto um“, meint Cramer.

Daß den öffentlichen Verkehrsmitteln die Kunden weglaufen, ist für Benno Koch vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) ein weiteres Argument für die Förderung der Fahrradmitnahme: Er sieht ein steigendes Interesse, mit Bahn und Rad innerhalb der Stadt schnell voranzukommen, ein fahrradfreundlicher Service wäre nicht nur eine positive Werbung, sondern tatsächlich eine Möglichkeit, neue Kundschaft zu gewinnen. Statt dessen wolle gerade die BVG lieber Geschäftsleute für sich gewinnen, mit zweifelhaftem Erfolg. „Man muß auch mal weiterdenken“, mahnt Koch, „in Berlin ist das Nahverkehrsnetz so gut ausgebaut, daß man auf das Auto nicht angewiesen ist. Es muß darum gehen, diese Stadt möglichst autofrei und lebenswert zu gestalten, sonst ziehen irgendwann alle in den Speckgürtel.“

Mit der Sehnsucht der Berliner, mal ins Grüne zu fahren, macht die S-Bahn mittlerweile gute Geschäfte. Zusammen mit dem ADFC bietet sie ein Radtourenprogramm an. Die S-Bahn zeigt sich bereit, das Fahrrad zu (be-) fördern, was sich nicht nur in den neuen Mehrzweckabteilen mit herunterklappbaren Sitzen äußert, die den Mittransport erleichtern. Bei den Tarifen konnte man sich im VBB dann doch nicht auf den kleinsten Nenner einigen: „Es gibt eben immer Verlierer und Gewinner“, so Ingo Priegnitz von der S-Bahn. Was sich im übrigen auch auf den Alltag in der Bahn beziehe, denn Radfahrer und reguläre Fahrgäste verhielten sich leider nicht immer vorbildlich, die Fahrradplätze würden von den anderen Fahrgästen oft nicht freigegeben, umgekehrt verhielten sich manche Radler wie die Axt im Walde. Das mit der gegenseitigen Rücksichtnahme muß sich noch einpendeln.

Bei der Deutschen Bahn AG sind die Kunden schon länger an die Biker gewöhnt. Im Regionalverkehr besteht nahezu flächendeckend die Möglichkeit der Fahrradmitnahme, die neuen Regionalexpress-Doppelstockwagen sind dafür auch technisch gut gerüstet. Innerhalb des VBB muß man für das Rad sechs Mark bezahlen, zusätzlich gibt es das Angebot einer Mehrtagesfahrradkarte: Für 25 Mark kann man an fünf frei wählbaren Tagen innerhalb von vier Monaten kreuz und quer durch Brandenburg gondeln.

Am Wochenende werden auf stark befahrenen Strecken zusätzliche Gepäckwagen und Radler- Sonderzüge eingesetzt. Bei der Bahn gibt es zwar auch nichts für umsonst, der Service hätte jedoch für den VBB richtungsweisend sein können.

Für nähere Informationen über die Radler-Sonderzüge empfiehlt sich die „Radfahrer-Hotline“ der Deutschen Bahn AG unter (0180) 319 41 94.