Village Voice: Piccolos aus der Minibar
■ Das Partypotential wird konsequent erweitert: „Face Now!“ von Mr. Ed Jumps The Gun
Jetzt haben doch tatsächlich auch noch Mr. Ed Jumps The Gun mitbekommen, daß die elektronische Musik bereits erfunden worden ist. Selbst die Band mit dem sprechenden Pferd im Namen glaubt nun, daß es digital besser geht. Zur neuen Platte „Face Now!“ läßt sich Trommler Mr.Ho erstmals für „programming“ credits geben.
Die elektronische Revolution fügt sich allerdings, wie nicht anders zu erwarten war, klaglos in das altbekannte Konzept der aus dem Friesischen stammenden Berliner. Ein paar knallige Funkrock-Riffs werden mit Metal-Attitüde so lange über einen mittelschnellen Beat gebratzt, bis man sich noch über den infantilsten Mitgrölrefrain freut. Ihr erstes Album „Boom! Boom!“ hat das vor vier Jahren sogar in die oberen Bereiche der Charts gebracht, aber dazu mußten sie bei der Single schon dem Klassiker „Wild Thing“ unnötig Gewalt antun. Der Versuch von Mr.Ed Jumps The Gun, sich in der ersten Liga des deutschen Crossover zu etablieren, scheiterte anschließend allerdings. Da oben tummeln sich H-Blockx und die Guano Apes jetzt wieder allein, während Mr. Ed weiter tapfer versucht, die lokale Berühmtheit auszubauen.
Immerhin nimmt man sich nicht allzu ernst dabei und träumt ausufernd von einem Leben aus Piccolos aus der Minibar, Groupies auf dem Rücksitz, Surfbrett auf dem Dach und einem richtig dicken Scheck am Monatsende. „I got a Rolls-Royce, 'cause it's good for my voice“ heißt es in „Rolls vs. Cooper“. Dieses, ihr dauerspaßiges Universum wird nur verlassen, um noch mehr Witze zu reißen, zum Beispiel über dauergeile Rentner. Aber unsere Pferdefreunde waren auch schon mal im Kino, dort haben sie „Clockwork Orange“ gesehen und deshalb einen Song über „Ms. Ratched“ gemacht.
Aber nichts gegen Spaß, ich finde, jeder sollte welchen haben. Im Verbund mit den neuen, eh kaum wahrnehmbaren Elektrospielereien hören sie sich jetzt im besten Falle an wie die frühen Beastie Boys, als die noch unter Rick Rubins Fittichen weilten und fröhlich mit Bier rumspritzten. Das ist ja auch nicht die allerschlechteste Referenz, selbst wenn der Kampf für das Recht auf Party lange schon gewonnen ist und die Nineties sich nun wirklich unweigerlich dem Ende zuneigen. Mr.Ed aber befinden sich weiter auf altbekannten Schienen, erweitern konsequent ihr Party-Potential und werden das feiernde Jahrzehnt womöglich tatsächlich ins nächste Jahrtausend verlängern.
Ansonsten gilt natürlich weiterhin: Traue nie einer Band, die es für nötig hält, ihre LP-Titel mit Ausrufezeichen zu unterstreichen. Thomas Winkler
Mr. Ed Jumps The Gun: „Face Now!“ (Vielklang/EMI)
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