Feuerkatastrophe im Alpentunnel

■ Zwei Tage nach Beginn des Brandes im Montblanc-Tunnel rechnen Rettungsteams mit 30 Toten. Giftige Gase erschweren Löscharbeiten. Justiz ermittelt wegen fahrlässiger Tötung

Chamonix/Courmayeur (dpa) – Die Brandkatastrophe im Montblanc-Tunnel hat wahrscheinlich etwa 30 Menschenleben gefordert. Auch 48 Stunden nach Ausbruch des Brandes war das Feuer in der Mitte der 11,6 Kilometer langen Tunnelröhre immer noch nicht völlig gelöscht. Die Bergungsarbeiten wurden von Temperaturen bis zu 100 Grad und giftigen Gasen massiv erschwert. Bisher seien neun Tote entdeckt worden, berichtete am Freitag die zuständige französische Präfektur in Chamonix. Es gebe keine Überlebenden, berichteten die italienischen Einsatzkräfte, die nachts durch Feuerwehren aus Frankreich und der Schweiz verstärkt worden waren.

„Im Inneren der Autos sieht man menschliche Überreste“, sagte ein Helfer. „Aber noch ist es unmöglich zu sagen, um wie viele Personen es sich handelt.“ Einige Autos seien von Gesteinsbrocken aus dem Tunnelgewölbe halb zermalmt worden. Bis zu 500 Meter des Tunnels waren wegen der Hitze, des dichten Qualms und giftiger Dämpfe unzugänglich.

Das Feuer, das am Mittwoch mittag mit dem Brand eines belgischen Lastwagens in der Tunnelmitte begonnen hatte, forderte zudem mindestens 27 Verletzte. Am Freitag versuchten die Rettungsmannschaften erneut, von der italienischen Seite des Tunnels aus zum Brandherd vorzudringen. Ziel sei es, mit Hilfe entsprechender Geräte die Temperatur im Tunnel zu senken, um dann die letzten Brandnester zu löschen, erklärte die Präfektur. Dann erst könnten die Opfer in den ausgebrannten Autos oder in deren Nähe gezählt werden.

Die Identifizierung der Toten werde sehr schwierig sein, vermutet die französische Präfektur. Experten seien dafür notwendig. Insgesamt hatten die Flammen des belgischen Lkws rund 30 andere Fahrzeuge erfaßt, darunter wenigstens 14 andere Lkws. Von den anderen in Brand geratenen Lastern soll mindestens einer Gefahrgut geladen haben.

Schon vor Ende des Brandes forderte der Bürgermeister von Chamonix, Michel Charlet, eine Überprüfung der Sicherheitsbedingungen im Tunnel. Remi Chardon, Chef der Betriebsgesellschaft, wies die Kritik allerdings zurück. Er hob hervor, daß in regelmäßigen Abständen der Verkehr im Tunnel mit Videokameras überwacht werde, daß es alle 300 Meter Schutznischen gebe und daß die Belüftungssysteme sehr leistungsfähig seien. Die französische Justiz leitete eine Untersuchung wegen fahrlässiger Tötung ein, um mögliche Ursachen und Versäumnisse zu klären. Der 1965 eröffnete Tunnel, eine der wichtigsten Nord- Süd-Verbindungen in den Alpen, muß für Wochen gesperrt bleiben.