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"Du bist gefeuert"

■ Weil sich die Dreharbeiten so günstig mit dem Besuch der Art Cologne verbinden ließen, nahm der Kunstfan Dennis Hopper die Rolle des Frank Hector in Thomas Bohns "Straight Shooter" an

Dieser Film ist das, was man ein Prestigeobjekt nennt: Realisiert mit dem für einen deutschen Film nicht gerade geringen Budget von 10 Millionen Mark, soll der von Joseph Vilsmaier produzierte „Straight Shooter“ Standards amerikanischer Action-Thriller erfüllen. Anders ist es schwerlich zu erklären, weshalb Thomas Bohns Regiedebüt zwar im Licht- und Sound-Design aus dem stets taghell ausgeleuchteten deutschen Filmförderungseinerlei herausragt, die Story um einen Staatsfeind (Heino Ferch) und seine Jäger (Dennis Hopper als Mann für alle Fälle und Katja Flint als Staatsanwältin) jedoch aus Blaupausen amerikanischer Action-Streifen zusammengezimmert wirkt. Die Story, könnte man sagen, dramatisiert etwas arg drastisch Jürgen Trittins Bemühungen um den Atomausstieg und die Reaktion der Industrie: Solange ein Kernkraftwerk in der Nähe Kölns nicht vom Netz genommen wird, will der selbsternannte Umwelt-Rambo Tag für Tag einen Atom-Lobbyisten umlegen – der Staat fährt schweres Gerät auf, um dies zu vereiteln.

taz: Mr. Hopper, der deutsche Film hat nicht gerade den besten Ruf. Was hat Sie dennoch dazu bewegt, sich das Drehbuch zu „Straight Shooter“ zur Brust zu nehmen?

Dennis Hopper: Da mein alter Freund Hanno Huth von Senator Film in das Projekt involviert war, wußte ich, daß es sich um ein seriöses Angebot handelte. Und seriöse Angebote nehme ich als Profi immer aufmerksam zur Kenntnis.

Hat Sie das Klischee des zynischen Söldner-Veterans, der im Kampf Mann gegen Mann einen Staatsfeind ausschalten soll, nicht abgeschreckt?

Im Gegenteil. Ich mochte die Rolle. Außerdem wußte ich, daß ich mit einem Regie-Debütanten zusammenarbeiten würde, dessen einzige Filmerfahrung Hunderte von High-Tech-Werbespots waren. Das hat mich sehr gereizt.

Was ist so anders, wenn man mit einem Regisseur zusammenarbeitet, der zuvor ausschließlich Werbeerfahrung gesammelt hat?

Er weiß im Vorfeld, wann er schneiden muß. Ein ganz anderes Arbeiten.

Also ein rein technisches Interesse?

Man kann mich mit Werbung begeistern. Aus einem filmischen Blickwinkel sind bestimmte Commercials sogar perfekte Filme: Sie wurden ohne Geldnot und mit aller Experimentierfreiheit gedreht. Sie bedienen sich einer komprimierten, oft poetischen Sprache. Wenn solche Texturen benutzt werden, um in einem richtigen Spielfilm einen emotionalen Kontext zu transportieren, kann das ungemein spannend sein. Große Regisseure wie David Lynch, Ridley Scott oder dessen Bruder Tony Scott kamen aus der Werbung, von Saatchi & Saatchi, selbst Fellini hat Werbung gedreht. Werbung ist ein Teil unserer Welt.

„Straight Shooter“ transportiert Bilder von kühler Machtästhetik neben Totalen, die Industrielandschaften zeigen. Exotische Bilder für einen Amerikaner?

Man sieht verwitterte Mehrfamilienhäuser in häßlichen Arbeitersiedlungen und in unmittelbarer Nachbarschaft dahinter, bildfüllend, die Kühltürme eines Atommeilers. Das ist für mich ein dramatisches Bild. Und Deutschland ist so: Der Kölner Dom inmitten von Smog und Industrie. Das mag für einen Amerikaner exotisch sein, doch für mich ist es zunächst einmal romantisch. Die brachliegenden Ruinen von Stahlgießereien und Kohleminen – einfach wunderschön.

Und gefährlich. Zumindest die Atomenergie.

Das Witzige ist ja, daß ich als junger, wütender Mann für die Atomkraft war. Ich dachte, sie bringt uns allen Nutzen. Selbst heute weiß ich nur, daß ich es schlimm finde, wenn die Russen ihre Atom-U-Boote versenken. Aber die friedliche Nutzung? Keine Ahnung.

Haben Sie „Straight Shooter“ auch wegen Ihrer sprichwörtlichen Affinität zu Deutschland zugesagt?

Ich konnte die Dreharbeiten mit einem Besuch der Art Cologne verbinden und habe da ein paar Arbeiten gekauft. Zum Beispiel eine alte André-Kertesz-Fotografie von 1922. Außerdem habe ich während meines Deutschland-Aufenthaltes auch gleich noch mit der Galerie Mayer in Düsseldorf eine Video-Installation in Berlin klargemacht.

Deutschland, das ist für mich Wim Wenders und die Kunst nach 45; das ist meine Bekanntschaft mit Hans Mayer in Düsseldorf und Jean-Christophe Ammann in Frankfurt. Er hat mir, als er noch Kurator in der Kunsthalle Basel war, dort meine erste wichtige Fotoausstellung organisiert.

Haben Sie eigentlich auch Bilder von Jenny Holzer in Ihrer Sammlung?

Warum fragen Sie gerade nach Holzer?

Jodie Foster spielte Jenny Holzer in dem von Ihnen gedrehten Film „Backtrack“.

Ich verehre ihre Arbeit, und wegen ihr flog ich damals auf die Biennale nach Venedig, als sie die Vereinigten Staaten repräsentierte. Leider aber kann ich mir sie nicht leisten. Haben Sie wirklich „Backtrack“ gesehen, in der ungeschnittenen Fassung?! Ich kann's kaum fassen!

Sie hatten damals aus Protest gegen die Verstümmelung Ihres Films Ihren Namen als Regisseur zurückgezogen und ein Pseudonym angegeben.

Das ist richtig. Mir hat das damals sehr weh getan, weil das ein sehr persönlicher Film gewesen ist. Die Orte zum Beispiel, an denen „Backtrack“ spielte, waren alles Orte, die mir in meinem Leben etwas bedeutet haben, an denen ich schon gewohnt hatte.

Ist es nicht seltsam, daß auch sogenannte Filmlegenden, wie Sie eine sind, vor solchen Erfahrungen nicht gefeit sind?

Ich hasse dieses Wort. Ich mag auch nicht die Erwartungshaltung der Menschen, die daraus resultiert. Ich mußte neulich daran denken, daß es das Medium Film seit 100 Jahren gibt. Ich mache seit 45 Jahren Filme. Das ist fast die Hälfte der Zeit, die es Filme gibt.

Kürzlich gab es eine Veröffentlichung des amerikanischen Film Instituts, in der die besten 100 Filme aller Zeiten vorgestellt wurden: Ich war in vier davon dabei, „Apocalypse Now“, „Easy Rider“, „Giants“ und „Rebel Withaut A Cause“. Der einzige Schauspieler, der in fünf Filmen mitspielte, war Humphrey Bogart. Mein Leben ist trotzdem ein einziges emotionales Schlachtfeld gewesen. Ich mußte immer wieder aus Scheiße Gold machen. Die Dinge, die ich tat, machten mich buchstäblich fertig.

Sie reden von Ihrem Film „The Last Movie“?

Schön, daß diesen Film überhaupt mal jemand kennt. Ich meinte aber vor allem die schlechten Filme, in denen ich mitgespielt habe. Ich habe in einigen wenigen Qualitätsfilmen mitspielen dürfen, der Rest ist Schrott. Aber da muß man durch.

Wie wichtig ist Ihnen die Kunst? Wichtiger als das Filmen?

Die Kunst ist enorm wichtig. Und wie schon gesagt: Kunst nach 1945 und Deutschland gehören zusammen. Ihr habt alle unsere großen Meister in euren Museen. Die guten Warhols, die wichtigen Liechtensteins, die bedeutenden Oldenburgs und Rauschenbergs – die stehen und hängen alle in Deutschland. Mit ihren Werken bin ich aufgewachsen, und die Ästhetik, die sie geschaffen haben, hat mich in meinem Sehen geprägt. Dieses Ideen-Recycling, dieses Aufgreifen von Werbung, der Coca-Cola-Schriftzug, Suppendosen oder Comics waren neu und spannend. Das Aufkommen der Happenings! Das habe ich damals sofort begriffen und wollte ein Teil der Bewegung sein, wollte alles mitbekommen. Die 60er Jahre waren eine verdammt gute Zeit.

Ihr Verhältnis zu Richter, Beuys und Kiefer?

Ich besitze ein paar kleine Bilder von Gerhard Richter und besäße gern weitere, aber die kann man ja heutzutage nicht mehr bezahlen. Leider habe ich ihn damals, als er billiger war, noch nicht gekannt. Ich habe meine Sammlung aus Stücken zusammengestellt, die ich auf frühen Ausstellungen der jeweiligen Künstler erworben habe.

Geben Sie viel Geld für Kunst aus?

Nein.

Kunst ist nicht billig.

Ich habe mir einmal ein großes Bild von Basquiat gekauft, das hat 17.000 Dollar gekostet, aber mir hat's gefallen. Ich habe damals gedacht: Du spinnst, das ist viel zuviel Geld, das darfst du nicht ausgeben. Drei Monate später starb er, und man hat mir für das Bild eine Million Dollar angeboten. Das ist das Spekulations-Business. Ich bin eigentlich nicht bereit, viel Geld für Kunst auszugeben.

Sind Sie nie in Versuchung gekommen, in den Kunsthandel einzusteigen?

Nein. Ich hatte in den 60er Jahren aber einmal eine Sammlung mit tollen Stellas, einem Sonnenuntergang von Liechtenstein, einer Suppendose von Warhol, siebzig Dollar hatte die mich gekostet, das erinnere ich noch, und Sachen von Jasper Johns und Rauschenberg. Eine aus heutiger Sicht unglaubliche Sammlung. Ich habe für alle Bilder zusammen insgesamt um die 27.000 Dollar ausgegeben.

Als ich mich Jahre später von meiner ersten Frau scheiden ließ, wurde die Sammlung mit einer halben Million bewertet und ging komplett an sie. Heute sind die Bilder 80 Millionen wert. Aber ich habe nie spekuliert. Heute sehe ich Bilder, die mal mir gehörten, in den Museen. Mein ehemaliger Agent sagte mir einmal: Wenn du nicht aufhörst, für diesen Quatsch Geld auszugeben, vertrete ich dich nicht mehr.

Was haben Sie ihm geantwortet?

Du bist gefeuert.

Interview: Max Dax

„Straight Shooter“, Buch und Regie: Thomas Bohn, mit Dennis Hopper, Heino Ferch, Katja Flint, Hannelore Hoger u.a., D 1999

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