„Gipfel der Unverschämtheit“

Europa-Parlamentarier sind erbost über den Kompromiß zur Agenda 2000. Sie wollen nun ihrerseits nicht mehr bei der Ausgabenplanung kooperieren  ■ Aus Brüssel Peter Sennekamp

Die Berliner Gipfelbeschlüsse zur Agenda 2000 seien „der Gipfel der Unverschämtheit“. Der Vorsitzende im Haushaltsausschuß des Europäischen Parlaments, Detlef Samland (SPD), erklärte gestern, er werde gegen die von den Staats- und Regierungschefs beschlossenen EU-Ausgaben für Innnen- und Außenpolitik sowie Verwaltungsmittel eine Mehrheit im Europaparlament finden.

Am Dienstag abend hatte der Haushaltsausschuß des Parlaments entschieden, die finanzielle Kooperation mit dem Ministerrat und der EU-Kommission zu beenden. Wie in einem Selbstbedienungsladen hätten die Staats- und Regierungschefs der EU über 5,2 Milliarden Euro an verfügbaren EU-Geldern an die nationalen Regierungen „verschachert“, so der Ausschußvorsitzende. Eine bislang zwischen dem Europaparlament, der EU-Kommission und dem Europäischen Ministerrat geltende „inter-institutionelle Vereinbarung“ werde daher nun nicht mehr befolgt. Nach dieser Regelung war bislang eine Absprache über EU-Ausgaben über einen Zeitraum von sieben Jahren möglich. Nun entschied der Haushaltsausschuß jedoch, nur noch nach der Vorgabe des EU-Vertrags abzustimmen – und das heißt, für jedes Haushaltsjahr einzeln.

Verärgert sind die Mitglieder im Haushaltsausschuß es Europaparlaments vor allem darüber, daß sämtliche Forderungen, die Parlamentspräsident José Maria Gil- Robles noch vor Berlin an die Staats- und Regierungschefs gerichtet hatte, außer acht gelasen wurden. In seiner Rede hatte Gil- Robles für die Bereiche Innen- und Außenpolitik sowie für administrative Mittel ausreichende Gelder verlangt. Doch die Minister kürzten das Parlamentsbudget um rund acht Milliarden Euro – während die Mitgliedsstaaten reichlich an „Sonderzuwendungen“ erhielten, rechnete Samland vor.

Sollte sich eine Mehrheit der Parlamentarier in der kommenden Sitzung in Straßburg dem Votum des Haushaltsausschusses anschließen, so stünden dem Parlament bei strikter Anwendung des Artikels 203 des EU-Vertrages rund 14 Milliarden Euro mehr für die Jahre 2000 bis 2006 zur Verfügung, als in Berlin beschlossen wurde. Samland kündigte an, er werde den gerade nominierten Kommissionspräsidenten Romano Prodi bitten, in seinem Haushaltsvorschlag für das Jahr 2000 bereits diese Regelung zu berücksichtigen.