Seit Mittwoch wird „zurückgeschossen“ –betr.: Krieg in Jugoslawien

Sehr geehrter Zauberlehrling, mit der Gewaltdrohung haben Sie das Ziel nicht erreicht. Mit den Bomben der Phase I immer noch nicht. Mit dem Kanonenfeuer der Phase II ... Mit den Geschossen der Phase III ... Mit den Panzern und Soldaten der nächsten Phasen ...? Nur den Besen haben Sie schon mehrfach gespalten. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Milosevic kann sich nun berechtigt fühlen, den Kosovo leerzuräumen. Kennen Sie den Zauberspruch, um den Elefanten Nato aus dem Porzellanladen Balkan wieder herauszuführen? Bitte informieren Sie mich über Ihren Zauberspruch. Andreas Ruck, Berlin

Wer sagt's denn! Da isser wieder, der nette Deutsche von nebenan – wurde ja auch langsam Zeit, nu isser wieder wer (wer weiß was). Gott sei Dank schnell vergessen sind die beinahe schon peinlichen Zwischenspiele außerparlamentarischer Jeansträger mit Lichterketten gegen – je, was war es doch noch? ... Und nun, wie hieß es schon vor 60 Jahren: Seit Mittwoch abend wird „zurückgeschossen“.

Wird man doch noch dürfen, wenn's mal besonders human sein soll! Erst Tucholsky verbieten und dann zurückschießen. Und der Gegner kein Nato-Mitglied – gut, gut! (anders als die Türken, das is was ganz anderes, und schließlich treiben's die Kurden auch ein bißchen weit. Tibet? – Nein, der Chines' könnt uns das möglicherweise übelnehmen...)

Gut für die Wirtschaft isses auch (die grad erst diesem Lafonti gezeigt hat, wer hier was zu sagen hat und was): Die Amis probieren ihren Wunderbomer aus, und wir führen unsere milliardenschweren Tornados vor (mit etwas Glück sogar den neuen „Leo“ – der ist zwar noch nicht ganz wartungsfrei, aber wir haben ja genug davon), kurz: Arbeitsplätze, was spricht dagegen?! Potentielle Mörder – aber wo denn!!! Frohe Ostern! Alexander Mága, Berlin

[...] Serbien ist seit zehn Jahren von der Welt abgeschottet. An diesem Punkt hätte man ansetzen und gerade den jungen Menschen die Tür zum Westen offenhalten können. Nicht der Westen als solcher ist wichtig, sondern die wirtschaftliche und politische Kultur, die Bildung, die Aufklärung, die Bücher, das Wissen sind entscheidend. Aber auch hier hat der Westen mit Abkehr und Sanktionen den Haß gesät und damit Milosevic so mächtig werden lassen.

Als es in Serbien Demonstrationen und Auflehnung gegen das Regime gab, wurde die Bevölkerung mit Sanktionen gestraft, und alle Bemühungen waren mit einem Mal zerstört. Und jetzt sagt die Nato, daß sich die Bomben nicht gegen das serbische Volk richten, sondern ausschließlich gegen militärische Ziele (vorgestern wurde ein Kloster in Belgrad getroffen, gestern ein Studentenwohnheim in Novi Sad). Was bedeutet denn das? Wie jede andere Armee besteht auch die jugoslawische zum größten Teil aus jungen Männern, die wahrscheinlich auf offener Straße zum Dienst in die Armee gezogen werden. Es herrscht Kriegsrecht. Da wird jetzt niemand mehr widersprechen.

Und Menschenrechte werden in Serbien selbst schon lange mit Füßen getreten. Ich bin kein Freund des Milosevic-Regimes und habe vollstes Verständnis für die albanische Bevölkerung, aber das ist doch kein Weg. [...] Vanja Nikolic, Jörg Haberland, Berlin

[...] Wo also bleibt die „Nothilfe“ für die Zivilbevölkerung? Die allgemeine „humanitäre Katastrophe“ nimmt mit jeder Stunde, die der Machtkampf und das Bombardement andauern, einen zunehmend verschärften Lauf! Tausende, wenn nicht Zehntausende Zivilisten werden ihr geopfert.

Gemessen werden jetzt „erfolgreiche Luftangriffe“ und nicht Erfolge beim Schutz der Zivilisten! Darum, und nur darum sollte es verantwortlicher Politik eigentlich gehen, zumal dann, wenn sie moralische und demokratische Überlegenheit gegenüber Diktatoren für sich reklamiert! [...] Bernd Hartmann, Frankfurt/Main

[...] Das Fazit dieser x-ten tragisch-dummen Maßnahme: Wenn der besser gestellte Mensch nicht lernen will und sein Gewissen mit Geld- und Brotspenden nicht beruhigt werden kann, gibt es eben Bomben???! Horst Ostendorf, Bremerhaven

[...] Das blutige 20. Jahrhundert der Völkermorde (170 Millionen Ermordete) und imperialistischen Kriege (34 Millionen Tote) begann 1914 in Serbien und endet makabrerweise in Serbien. Und genau wie das Ultimatum vom 23. Juli 1914 die serbische Souveränität verletzte, verletzt das Nato-Ultimatum sie auch heute.

Während aber die SPD im Dezember 1914 lediglich die Kriegskredite einer kaiserlichen Regierung bewilligte, ist die Nato heute faktisch ein sozialdemokratisch geführtes Militärbündnis. Und auch die EG setzt sich – bis auf Spanien und Irland – aus sozialdemokratisch geführten Regierungen zusammen.

Es wäre angemessen, wenn die taz die Analyse der Nato-Interessen in den Vordergrund schieben und SPD und Grüne als das bezeichnen würde, was sie sind: Kriegs-Parteien der Metropolen-Interessen gegen die Peripherie der Armut. W. Ratzel, Projekt Globale Existenzsicherung, Berlin

betr.: „Ströbele – plötzlich im Licht der Öffentlichkeit“, „Selbst falls ich mich lächerlich mache“, taz vom 27./28. 3. 99

Bravo für Ströbele und die letzten Aufrechten der Grünen! Man kann sie gar nicht genug unterstützen und loben. Beschämend dagegen die Art und Weise, wie sich die anderen Pazifisten zu Kriegstreibern gewandelt haben. Krieg hat noch niemals Frieden unter die Menschen gebracht. Der Appell der Soldatenmutter aus Thüringen und ihre Aussagen sollte allen rechtschaffenen Menschen zu Denken geben. Sie hat mir aus dem Herzen gesprochen. [...] Volker Schneider, Bochum

betr.: „Der ewige Verlierer – nun auf der Siegerstraße“, taz vom 27./28. 3. 99

In dem Bericht ist die Rede davon, daß Deutschland sich „ohne eindeutige völkerrechtliche Grundlage“ an militärischen Angriffen beteilige. Solche Formulierungen sind mehr als beschönigend!

Nennt doch bitte die Dinge beim Namen: Die Nato scheißt auf das Völkerrecht. Rüdiger Fleck, Berlin

[...] Wer nach den jüngsten Ereignissen immer noch glaubt, daß Jugoslawien vor 1990 ein integrierter Staat war und die scheinbare Einheit vor allem durch die Anerkennung Kroatien und Sloweniens (auch durch Deutschland) letztendlich zerstört wurde, der sollte zu intensivem Geschichtsunterricht verdammt werden.

Das serbische Regime unter Milosevic hat bereits vor neun Jahren ein System der Apartheid im Kosovo etabliert und in den Jahren von 1991 bis heute die gesamte Region mit Krieg und Völkermord überzogen. Milosevic reagierte bereits 1990 mit Annexionsdrohungen auf verfassungskonforme Autonomiebestrebungen der Republiken. Als die Annerkennung Kroatiens und Sloweniens durch die EG im Januar 1992 erfolgte, hatten vor allem die Menschen in Kroatien bereits ein halbes Jahr brutaler Übergriffe und partieller Vertreibungen hinter sich. Vukovar war bereits zum Symbol geworden, an dem sich neuer Nationalismus nähren konnte. Und da will Herr Scheer noch eine „erfolgreiche Integrationsidee“ ausmachen??

Gerade der Versuch, die Integration zu erzwingen, hat einen Nährboden für jene geliefert, die Nationalismus und Völkerhaß im ehemaligen Jugoslawien anheizten und weiter anheizen.

Das „Zerlegen in staatliche Einzelteile“ hat erst begonnen, und es ist der einzige Weg zu einer ruhigen Region auf dem Balkan. Erst wenn die Volksgruppen und Regionen ohne Druck ihre Autonomie wahrnehmen können, werden Integrationsbestrebungen Erfolg haben. Ein nüchterner Blick auf die tatsächlichen Fakten der Geschichte dieser Region wäre ein sinnvoller Beitrag, den vor allem in Deutschland noch mancher leisten müßte... Dubravko Dolic, Oldenburg

Frage: Wie lange braucht eine pazifistische Partei, um einen Krieg anzufangen? Antwort: Im Prinzip zwanzig Jahre, aber wenn sie an der Regierung ist, dauert es nur fünf Monate. Hansjürgen und Oswald, Ludwigsburg

(nach 19 Jahren aus den Grünen ausgetreten)

Ein historisches Datum. Die aggressive Nato – allen voran Deutschland – werfen Bomben auf ein Land, das nichts mit der Nato zu tun hat (warum nicht auf die Türkei oder Nordirland, wo es innerhalb der Nato Separatisten gibt?). Man denkt an viele Schuldige. Doch sollte man Herrn Gorbatschow nicht vergessen, der zugunsten des Weltgendarmen USA die Sowjetunion paralysierte und damit das schreckliche, aber wirksame „Gleichgewicht des Schreckens“ zerstörte. Damit wurde der Weg frei für die USA und ihre deutschen Vollstrecker, sich überall in der Welt einzumischen und die UNO unwirksam werden zu lassen. Gero Schreiber, Berlin

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die auf dieser Seite erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.