■ Die Grünen sind in der Zerreißprobe
: Über einen Sonderparteitag wird noch gestritten

Der Krieg im Kosovo spaltet die Grünen. Immer mehr Grünen-Politiker fordern den sofortigen Stopp der Nato-Luftangriffe auf Serbien. Innerhalb weniger Tage sammelte der Bundestagsabgeordnete und erklärte Gegner des Nato-Einsatzes, Christian Ströbele, über 500 Unterschriften gegen die Regierungspolitik in seiner Partei.

Alle Landesverbände verzeichneten Parteiaustritte wegen der zustimmenden Haltung der grünen Bundestagsfraktion zum Nato-Einsatz und der Beteiligung deutscher Tornados an den Kampfhandlungen. Der Hamburger Landesverband fordert einen Sonderparteitag der Grünen zum Kosovo-Krieg. Der Berliner Landesverband will heute entscheiden, ob er die Hamburger Position unterstützen will. In Mecklenburg-Vorpommern wird noch diskutiert. Die niedersächsischen Grünen wollen in die Diskussion über einen Sonderparteitag eigentlich nicht einsteigen, sagte eine Sprecherin. Allerdings sprachen sich die Vorstandssprecherin Renée Krebs und ihr Kollege Hans-Albert Lennartz für einen „sofortigen Stopp der Nato-Interventionen“ aus.

Ein Sonderparteitag kann nur einberufen werden, wenn mindestens drei Landesverbände, zehn Prozent aller Kreisverbände oder der Bundesvorstand es beschließen.

Peter Schaar, Sprecher des Landesverbandes Hamburg, sagte der taz, sein Ruf nach einem Sonderparteitag richte sich nicht gegen den Nato-Einsatz. Mit dem Sonderparteitag verbinde sich vielmehr der Wunsch nach einer breiten Diskussion.

Diskussionsbedarf sieht auch der Bundesvorstand. Ein Sonderparteitag sei allerdings nicht vorgesehen.

Parteienforscher sehen die Gefahr einer Spaltung der Partei, sollte es zu Bodeneinsätzen kommen. Der Göttinger Professor Peter Lösche glaubt, daß sich dann „die widersprüchlichen Meinungen“ innerhalb der Partei noch zuspitzen werden.

Ströbele schließt die Gründung einer neuen Partei aus. Allerdings sehe er „massive Probleme“ auf die Partei zukommen, sollte die Grünen-Führung nicht umschwenken.

Sein Mitstreiter, der Hamburger Friedenspolitiker Uli Cremer vom Grünen-Kreisverband Hamburg-Eimsbüttel, sagte, er wolle nicht den Rücktritt der drei grünen Minister. Aber sie hätten sich in den vergangenen Wochen schon bei anderen Fragen sehr flexibel gezeigt. „Warum nicht auch in dieser Sache?“

Die Nato habe eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern wollen, sagte Ströbele. Dieses Ziel sei nicht erreicht worden. Die Katastrophe finde jetzt statt. Thorsten Denkler