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Barbie goes Hippie

„Die größte Barbie-Schau, die es je in Deutschland gab“, wird die Ausstellung im Badischen Landesmuseum zu Bruchsal gepriesen. Zunächst allerdings stößt die Schau den bedingungslosen Barbiefan vor den Kopf: Da baumeln Barbie-Beine von einem Reliquienschrein in Pink: „Hommage à Barbie“, wird die Plastikblondine als Entwicklungsstufe des Spielmittels Puppe im allgemeinen historisch plaziert und als Nachfahrin der Bild-Karikatur Lili geoutet.

Vom zweiten Raum der zirka 600 Quadratmeter großen Ausstellung zum 40. Geburtstag der weltliebsten Puppe an jedoch geht es zur Sache: Wir sehen die langsame Anpassung ihres Gesichts an die Erfordernisse des Marktes: wie die Augen und die Wangen runder, die Lippen schmaler werden. Wir sehen sie in den sechziger Jahren mit Etuikleid und Pillbox à la Jackie Kennedy, im Jahrzehnt darauf als moderates Hippiemädchen, heutzutage als Girlie und Superstar. Wir sehen sie in ihrem beruflichen Alltag (TV-Reporterin, Air-Force-Pilotin, Präsidentschaftskandidatin usw.) und in ihrer multiplen Freizeit (mit Pferd, Sportwagen, Taucherausrüstung), mit ihrem Begleiter Ken, Freunden und Verwandten. Und immer im besten amerikanischen Sinne politisch korrekt: Sex ist auch mit Ken tabu, dafür dürfen Freundinnen dunkelhäutig oder mandeläugig sein oder im Rollstuhl sitzen.

Erwachsene Besucher, vor allem Frauen, suchen in dieser Abteilung nach der Barbie ihrer Kindheit. Sammler finden Raritäten, die kein Flohmarkt und keine Barbiekonvention je preisgab. Die Kids können nach neuen Wunschobjekten Ausschau halten, sind aber vornehmlich in der Spiel- und Verkleideecke anzutreffen oder, durch das Barbienetz surfend, in der Media Corner. Look-alikes wie die deutsche „Petra“ werden nicht ausgegrenzt, „bespielte“ Objekte hingegen bleiben im Archiv: Barbie forever young.

An den Schaukästen mit Barbie-Haute-Couture namhafter Modedesigner drücken sich die Besucher die Nase platt, die lebensgroße Barbie führt eher ein Mauerblümchendasein. Auf der Grenzlinie zwischen Kitsch und Design bewegen sich die in Plastiktüten gepackten Exponate von Barbie goes shopping: Sofachen, Tellerchen, Täßchen und Väschen aus Edelhäusern wie Flamand und Rosenthal: Puppenstube heute, auf der „Ambiente '98“ in Frankfurt erstmals gezeigt.

Und keiner verläßt die Ausstellung, ohne einen Blick in die Zukunft geworfen zu haben. In den Fußboden eingelassen bietet sich ein archäologischer Fund aus dem Jahre 2999 dar. Was da zwischen dem vergammelnden Zivilisationsmüll unserer Zeit auch als Trash noch unbeschadet, jung, blond, schön und perfekt ausgeleuchtet liegt, ist offenkundig...

Die Ausstellung ist bis 30. Mai im Schloß Bruchsal, Ende Juni 1999 bis Mitte Oktober 1999 im Schwäbischen Volkskundemuseum Oberschönenfeld, vom 19. November 1991 bis 30. April 2000 im Spielzeugmuseum Nürnberg und November 2000 bis April 2001 im Deutschordensmuseum Bad Mergentheim zu sehen. Elisabeth Bonneau

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