Kosovaren demonstrieren für Nato-Einsatz

■ Fast die halbe albanische Gemeinde war am Donnerstag auf den Beinen: Demonstriert wurde gegen den Völkermord im Kosovo und für eine „Waffenbrüderschaft“ zwischen UÇK und Nato

Sie sind verstummt, die „UÇK, UÇK!“-Rufe und der Sprechgesang „Wir geben unser Leben, aber nicht das Kosovo!“ Die gespenstische Stille einer langen Schweigeminute legt sich über die inzwischen auf 8.000 Albaner angeschwollene Demonstration, die am vergangenen Donnerstag zum Roten Rathaus zog. Zu Siegeszeichen ausgestreckte Arme, Bilder von Gefallenen, Fahnen Albaniens neben denen der Nato erstarren unter der Aprilsonne zu einem Bild, aus dem Verzweiflung, aber auch Entschlossenheit spricht. Kleine Kinder in US-Kampfanzügen legen Rosen auf einen mit albanischer Fahne verzierten symbolischen Kindersarg.

Fast die halbe kosovo-albanische Gemeinde Berlins ist auf den Beinen. „Wogegen demonstriert ihr?“ fragt ein Passant angesichts von „Nato, Nato!“- und „Scharping, Scharping!“-Sprechchören. Für eine „Waffenbrüderschaft zwischen Nato und UÇK“ heißt die trotzige Antwort. Die Kosovaren fordern lautstark Bodentruppen. „Welche Kraft soll denn sonst den Krieg beenden?“ fragt Artur Alija, ein albanische Künstler

Der Zug, der gegen Mittag am Brandenburger Tor startete, war nicht nur von Uniformen und Abzeichen der albanischen Untergrundarmee geprägt, er war militärisch straff organisiert. Alle paar Meter Ordner mit roten Armbinden, die allzu hitzige Gemüter zurückpfiffen. So blieb die Kundgebung, wie vom federführenden Albanischen Komitee angekündigt, friedlich, die Polizei begnügte sich mit der Dokumentation von Parolen auf den Transparenten: „UÇK – Hoffnung des Kosovo, 200 x 50“, notierten die Beamten.

„Im Grunde sind wir jetzt alle in der UÇK“, sagt ein Albaner. Junge geflohene Kosovaren, die bereits Berlin erreicht haben, würden innerhalb der albanischen Gemeinde gedrängt „zurückzugehen, um zu kämpfen“, heißt es. Doch die Flüchtlinge sind kaum ein Thema am Donnerstag. Gegen Ethnozid und serbische Todesschwadronen wettern die Demonstranten, aber auch gegen „Gysi und seine linksextremen Serbenfreunde“. „Nationalistische Tendenzen“ machte Ismail Kosan, ausländerpolitischer Sprecher der Grünen, aus. Ähnlich denkt Kosans Parteifreund Hartwig Berger: „Die Parolen hier kann ich auch nicht alle mittragen“, aber „der politische Druck auf Belgrad muß anhalten“, umschifft Berger in seinem Redebeitrag den moralischen Zwiespalt. Immer wieder wird er von „UÇK“-Rufen unterbrochen, später werden Grußbotschaften an die Kämpfer in der Heimat verlesen.

Abseits des Podiums finden sich auch differenzierte Stimmen. „Daß sich deutsche Soldaten am Nato-Einsatz beteiligen“, sagt die Studentin Vjollca, „haben viele von uns nicht unbedingt gewollt.“ Die 23jährige, die seit langem keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie im Kosovo hat, hat auch Verständnis für die Gegner des Nato-Einsatzes: „Es tut uns auch leid für die Mütter der Soldaten. Wir können nachvollziehen, was die empfinden.“ Christoph Rasch