Traditionelles Pesach in Havanna trotz Embargo

■ Der Kanadische Jüdische Kongreß schickt seit 1961 jedes Jahr koschere Lebensmittel nach Kuba

„Aus Havanna ist ein Schiff gekommen, beladen mit...“, so beginnt ein altes jüdisches Kinderspiel auf Kuba. Heute allerdings kommt das für die kubanischen Jüdinnen und Juden wichtige Schiff nicht aus, sondern nach Havanna. Seine Fracht: Mazze-Brot, Kochwein, Tee, Fisch und Fleisch – koschere Lebensmittel, gespendet vom Canadian Jewish Congress (CJC) für die kubanischen Glaubensschwestern und -brüder. Insgesamt zehn Tonnen sind diesmal pünktlich zum hohen jüdischen Feiertag Pesach angekommen. Das achttägige Fest, das in diesem Jahr am 1. April begann, erinnert an den Auszug der Juden aus Ägypten.

„Die Lieferungen sind eine wunderschöne Tradition, die sich mit Unterstützung der kubanischen Regierung etabliert hat“, schwärmt Daniel Fine, Sprecher des CJC in Toronto. Waren im Wert von 32.000 Dollar hat seine Organisation in diesem Jahr gespendet. Seit 1961, als die USA das Embargo gegen Kuba verhängten, unterstützen Kanadas Juden ihre 1.500 kubanischen Glaubensschwestern und -brüder mit jenen Lebensmitteln, die das Rabbinat als koscher, das heißt als rituell „rein“ klassifiziert hat. Denn durch die Handelssperre wurde es für die Mitglieder der Jüdischen Gemeinden in Havanna, Cienfuegos, Camagüey und Santiago de Cuba, unmöglich, ein traditionelles Pesach zu zelebrieren. Ungesäuertes Mazze-Brot zu kaufen wurde ebenso zu einem schier unlösbaren Problem wie der Versuch, zu Pesach koscheren Wein, Fisch oder Fleisch zu importieren.

Die Vizepräsidentin der Jüdischen Gemeinde in Havannas Vorort „El Vedado“, Adela Dworin, freut sich deshalb über die Hilfe aus dem Norden: „Die Lebensmittel aus Kanada erlauben es den Gläubigen in Kuba nicht nur, Pesach mit einem koscheren Essen zu feiern, sondern auch, für das ganze Jahr Vorräte anzulegen, um unsere anderen Feste zu begehen.“

Während der Großteil der Güter die Karibikinsel in den letzten Wochen bereits auf dem Seeweg erreicht hat, wurden die leichtverderblichen Waren auf dem José- Marti-Flughafen in Havanna entladen und dann unter den Gemeindemitgliedern verteilt. „Damit garantieren wir, daß die Lebensmittel auch wirklich pünktlich zu Pesach eintreffen“, erklärt Fine.

In „El Vedado“, leben heute rund achtzig Prozent der jüdischen Bevölkerung. Es gibt eine Synagoge, ein Gemeindezentrum und karitative Organisationen. Anfang der sechziger Jahre lebten noch rund fünfzehntausend Jüdinnen und Juden auf Kuba – zehnmal so viele wie heute. Nach der Revolution sind viele in die Vereinigten Staaten oder nach Israel ausgewandert. „Seit wir nur noch wenige kubanische Juden sind“, berichtet Dworin, „feiern wir das Pesach- Fest mehr in der Synagoge als im Kreis der Familie, wie es jüdische Tradition ist.“

Mit den allgemeinen Versorgungsproblemen für Lebensmittel auf der Insel gehen die jüdischen Kubaner heute routiniert und pragmatisch um, berichtet Dworin: „Angesichts der Schwierigkeiten, überhaupt normales Brot aufzutreiben, müssen wir eben das ganze Jahr hindurch Mazze essen.“ Hans-Ulrich Dillmann