Albaner-Führer Rugova trifft Milošević in Belgrad

■ Gemeinsame Erklärung für „politische Lösung“. UÇK droht Strafe an. Westen vermutet Druck der serbischen Regierung und lädt Rugova zu einem „unverzüglichen Besuch“ ein

Der politische Führer der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova, hat sich am Donnerstag überraschend mit dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević in Belgrad getroffen. Das jugoslawische Außenministerium veröffentlichte eine Erklärung, in der sich beide zu einer politischen Lösung des Konfliktes verpflichten. Im serbischen Fernsehen waren Bilder zu sehen, auf denen sich Milošević und Rugova die Hand gaben. Bereits am Mittwoch hatte der Gründer der Albanerpartei LDK in Priština vor Journalisten ein Ende der Luftangriffe gefordert.

Die Gegner Milošević' äußerten erhebliche Zweifel an der Freiwilligkeit von Rugovas Aussagen. „Er wird mit Terror unter Druck gesetzt“, sagte der albanische Präsident Rexhep Meidani gestern im französischen Rundfunk. Seine Aussage sei nur dadurch zu erklären, daß er Familie im Kosovo habe. Rugova galt einige Tage als vermißt und hatte am Mittwoch in Priština erklärt, er befinde sich „unter dem Schutz der serbischen Polizei“.

Der politische Sprecher der kosovo-albanischen Untergrundarmee UÇK, Hashin Thaqui, drohte Rugova Strafe an. Sofern sein Aufruf zum Ende der Luftangriffe freiwillig erfolgt sei, habe er „Hochverrat gegen seine Nation“ begangen. Nato-Generalsekretär Javier Solana bezweifelte in Brüssel, daß Rugova freiwillig gehandelt habe. Er bevorzuge, direkt mit ihm zu sprechen. Die Außenminister von Deutschland, USA, Frankreich und Italien haben Rugova und seine Familie zu einem unverzüglichen Besuch in ein westliches Land eingeladen.

Der jugoslawische Vizepremier Vuk Drasković erklärte, Rugova habe Milošević freiwillig getroffen. Aus Belgrad betrachtet, sieht die Berichterstattung des Westens wie eine Medienblockade aus. „Nun haben sich Milošević und Rugova getroffen und sich für eine politische Lösung ausgesprochen, und für alle, für CNN, ZDF oder ORF war es von vornherein klar, daß Rugova unter serbischem Druck stand“, entrüstet sich die Englischlehrerin Mirjana Ilić. Niemand habe auch nur die geringste Möglichkeit offengelassen, daß Rugova vielleicht alles tun würde, um das Blutbad und die humanitäre Katastrophe im Kosovo zu stoppen. Denn wie sollte die Nato die Fortsetzung der Aggression gegen Jugoslawien rechtfertigen, wenn sich derjenige, für den sie es tut, dagegen ausspricht.

Das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete unterdessen, Rugova habe noch am Montag im Gespräch mit einer Korrespondentin den Einsatz von Bodentruppen im Kosovo verlangt. Die Nato solle notfalls mit einer „totalen Zerstörung Serbiens“ drohen.

Andrej Invanji