„Hans im Glück“

■ Gestern wurde Bremens Ex-Bürgermeister Hans Koschnick zum derzeit einzigen lebenden Ehrenbürger der Stadt gekürt / Geadelter wußte angeblich nichts

Rote Lippen tanzen im Quintett auf Horn, Klarinette und Flöte einen ungarischen Tanz, und feierlich flüstert ein kleiner Zeremonienmeister: „Schönes Stück dafür, so majestätisch.“ Unglaublich viele Leute gehen herum und werden mit „Herr Bürgermeister“ angeredet. Einer trägt versteinert einen Loorbeerkranz mit sich rum und Herr Koschnicks Garderobe wirkt leicht abgeschabt – aber das ist wohl eher sozialdemokratischer Gestus.

Da ist er also gekommen, majestätisch nur im Understatement und tut so, als habe er von Tuten und Blasen keine Ahnung gehabt. Eigentlich wollte er nur kurz vorbeigucken, behauptet das 70jährige Geburtstagskind. Pech gehabt, nun wird ihm nebenbei schnell noch die Ehrenbürgerurkunde in die Hand gedrückt. Nach Wilhelm Kaisen und dem früheren Bürgerschaftspräsidenten August Hagedorn, notiert die Senatspressestelle nebenbei bemerkt – und vergißt darüber ganz Bremens einstigen Ehrenbürger Adolf Hitler. Fassen wir also kurz und bündig zusammen: Hans Koschnick, von 1967 bis 1985 Bremer Bürgermeister, davor schon Innensenator, danach noch acht Jahre Bundestagsabgeordneter – jetzt Ehrenbürger.

Ein Linker und ein Bremer von Geburt, den es alle Zeit in die Welt zog, und der in Bremen „Hans im Glück“ heißt. Sie wissen schon: Die Geschichte von dem Mann, der nach Jahren der Wanderschaft mit leeren Händen zurückkehrt. Bürgermeister Henning Scherf (SPD) trug ihm seine Reiselust und stete Abwesenheit im Senat – vor allem im Krisenfall – denn gestern bei der Huldigung auch bitter nach. Ständig werde er in Warschau, in Danzig, in Israel nach Hans Koschnick gefragt, warf er seinem Vorgänger vor versammeltem Festpublikum in vor. „Gereist sei er wie kaum einer“, so die bittere Abrechnung – und dann das neidvolle Bekenntnis: „Viel häufiger als ich.“

Aber natürlich war das nicht bös' gemeint, sondern kam daher als eine Huldigung jenes Mannes, den Deutschlands künftiger Bundespräsident Johannes Rau in seiner Laudatio kurz zuvor als „Standortfaktor“ für Bremen bezeichnet hatte. Ja, so Scherf, die ganze Welt „hast Du für uns erschlossen“, Nord- und Südamerika, Polen, Israel. Und eigentlich auch den weiten Weltenraum – denn die Luft- und Raumfahrt als Bremer Standortfaktor sei ebenfalls Koschnicks Werk. Dann noch ein kleines effektvolles Werben des amtierenden Oberbürgermeisters in eigener Wahlkampf-Sache (die Daimler-Ansiedlung habe das 70jährige Geburtstagskind einst „mit den Schwarzen in dem Konzern und gegen den Roten Reuter“ durchgepowert) und schon war man wieder im innerbremischen Einheitsbrei abgetaucht – aus dem Hans Koschnick am heutigen Mittwoch früh schon wieder gen Sarajewo abreisen wird.

Dieser brach eine Lanze für die Politik als solche – um sie im konkreten Fall des Kosovo als Stab über derselben zu zerbrechen: „Die Menschen leiden am Versagen der Politik, nicht des Militärs, weil Politiker nicht zur rechten Zeit die richtige Grundlagen gelegt haben.“ Also geht der alte Mostar-Verwalter jetzt wieder zurück ins einstige Jugoslawien, um dort das zu tun, was er am besten kann: Sprechen. Und während sich in Bremen jetzt grünschnäbelnde CDU-Kriegsgewinnler ihre politischen Meriten mit Militaria zu erkaufen suchen (vgl. Interview mit Windler auf Seite 22) übte sich der alte SPD-Politiker in der gestrigen Feierstunde in philosophischer Zurückhaltung: „Nichts geschieht nur für andere – immer ist alles auch ein wenig Reflexion auf das eigene Leben.“ ritz