Kein Zucker, bitte

■ In der Großen Freiheit leugneten die Cardigans kaum ihre Vergangenheit als Hardrock-Cover-Band. Gut so

Sie hatte noch kein einziges „love me“ ins Mikro geschmachtet, da wurde ein Fan bereits von Sehnsucht übermannt: „Jetzt würde ich gerne ihre blauen Augen sehen“ seufzte es aus den hinteren Reihen der Großen Freiheit. Mit diesem Wunsch war der Mann bei den Cardigans am Dienstag sicher nicht alleine. Doch der Blick in die blauen „Lovefool“-Augen von Sängerin Nina Persson blieb den meisten an diesem Abend versagt: In der ausverkauften Halle drängelten sich Schwedenpop-infizierte Hundertschaften – allesamt fest entschlossen, sich mit Feuerzeug in der Tasche und Cardigans-Songtexten auf den Lippen in die zuckerwattegepolsterte Popwelt der Schweden zu werfen.

Ganz so lollipoppig wurde es dann allerdings doch nicht. Fast schien es, als hätte die Cardigans ihre frühe Vergangengheit als Hardrock-Cover-Band eingeholt: Wie schon auf dem Album Gran Turismo wurde der sanfte Popregen immer mal wieder durch harte Riffs aufgemischt, selbst das elektronisch angehauchte „My Favourite Game“ klang da ungewohnt rockig. Darüber, daß Ninas Stimme in natura nicht immer hält, was die Album-Fassung verspricht, kann man da schon mal hinweghören. Trotz des deutlich niedrigeren Zuckergehalts dieser angerockten Cardigans-Version wurden Melodiejunkies zuverlässig mit Stoff versorgt: schnelle Songs zum Rumhüpfen, langsame Balladen zum Feuerzeugschwenken und stets die Möglichkeit des kollektiven Mitsummens – auf die Wirkung der Schweden-Droge ist Verlaß.

Da war es dann auch nicht weiter tragisch, daß just in dem Moment, als mit „Lovefool“ der wild hopsenden Menge die Höchstdosis des Abends verabreicht wurde, der Raum plötzlich in grelles Neonlicht getaucht wurde. „Why did you turn on the lights?“ hauchte Nina erstaunt in Richtung Technik. Dabei war das zumindest dem männlichen Teil des Publikums sonnenklar: Der Beleuchter wollte nur ihre blauen Augen sehen.

Kristina Maroldt