Mitten im feuchten Frühling

■ Bremens Frühlingsstraße liegt zwischen Stadtring und Bahnhof und hier kann man Ahmed, Alex, Amor und Gaby kennenlernen / Und zur Zeit nasse Füße bekommen

Eine blonde Prinzessin! Außerdem: ein gelber Blumenstrauß, ein Bastelpüppchen, ein Kaktus, ein Marienkäfer und vier von diesen fürchterlichen Gardinen, die schon meine Schwiegergroßmutter hatte. Frühling in Bremen! Dann noch zwei gleißende Quadrate, über und über mit Alufolie bedeckt.

Der Frühling in Bremen ist wohl ein großer Adventskalender: Fenster an Fenster guckt er als die Rückfront von Frau Kahrs' Bildungshochhaus mit quadratischen Augen raus und wir, Olga und ich, gucken zurück. Aber die halbe Prinzessin mag gar nicht zurückwinken.

Hinweg mit ihr: Es gibt noch unendlich viel mehr zu erzählen über die Bremer Frühlingsstraße (Planquadrat O/10). Ein Bremer Haus gibt es, in dem Bremens Klavierlackierer Rüdiger Stockmann wohnt. Eine supertolle Tiefgarage gibt es (“Wie heißt der Bürgermeister von Wehesel!?“) und einen kurdischen Obst & Gemüse-Händler an der Ecke. Davor stehen, Alex und Gaby, und die beiden kennen die Welt.

Beide sind sie Junkies, das sieht man ja. Alex zum Beispiel ist sogar gewissermaßen ein Medienjunkie. Er liebt Kinder und hat selbst fünf davon, aber auch mit Olga blinzelt er noch ganz gern. Vom Viertel führt ihn der Weg zum Bahnhof durch die Frühlingsstraße, (dazwischen liegt aber noch der Drogentunnel – direkt bei der Sozialsenatorin, wie praktisch!): Das ist schon ganz schön viel Welt. Außerdem war Alex von Amts wegen (Junkie) schon im Spiegel und im Fernsehen und jetzt also in der taz. Die Kinder sind übrigens nicht von Gaby, „leider“.

Das Problem an der schönen Frühlingsstraße ist ein anderes. Erstens ist Frühling noch immer unmodern. Das ergab eine Kurzumfrage: Der Frühling, sagt Eva, ist am nötigsten – am schönsten aber ist der Herbst. Wir sind die Generation der Nekrophilen – bis zum Jahr 2000 bleibt das so. Zweitens ist die Frühlingsstraße nicht da, wo sie von semantischem Rechts wegen hingehört – nämlich in die Nähe von Sommer- (Lieblingsmonat von Klaus), Herbst- oder Winterstraße (Michael). Die liegen weit hinten in Findorff und die schnellen Schlümpfe von UPS landen mit ihren Sendungen für die Maritime Spare Parts GmbH (kurz: MSP) statt in der Frühlingsstraße mitten in der Bürgerweide.

Wohnen tut in der Frühlingsstraße so recht besehen sowieso nur Amor. Alex und Gaby sind ja Passanten. Vielleicht noch Ahmed Heyrn. Der wohnt seit zwei Jahren in seinem Obst & Gemüse-Laden, weil die Bruchversicherung mit der Kündigung droht und auch sein Kredit noch nicht abbezahlt ist.

Wenn die Einbrecher nachts an seiner Fensterscheibe kratzen, guckt er da raus und manchmal fragen sie ihn nach einem Hammer oder so, und manchmal gehen sie auch einfach wortlos weg. Aber sie probieren es trotzdem in der nächsten Nacht nochmal, weil sie glauben, daß Herr Heyrn seinen Fernseher nur gegen die Einbrecher laufen hat.

Trotzdem ist Herr Heyrn nicht richtig böse auf die Junkies, sondern eher auf die Imperialisten. Die stoßen vor bis zum Herz der Welt, sagt er, und wollen das Petroleum, Eisen, Chrom, das Sonnenpanorama und Wasser – „die beste Wasserquelle von der Welt“ – haben. Nur Öcalan nicht. Der will das Eisen, das Wasser, „unsere Natur für unser Volk.“ Und Frühling ist in Kurdistan erst wieder, wenn Freiheit ist. Dann ist wieder drei Tage Feuer und Tanz – „ich kann das nicht mit Worten beschreiben.“

Amor der Yorkshireterrier wohnt am anderen Ende der Straße, bei dem Klavierlackierer. ritz