■ Filmstarts a la carte: Elegant in den Untergang
Als Luchino Viscontis „Der Tod in Venedig“ 1971 in die Kinos kam, hagelte es Proteste: Die Thomas-Mann-Adepten brüllten Verrat, und zwar nicht nur, weil der Regisseur aus dem Schriftsteller Gustav von Aschenbach einen Komponisten gemacht hatte. Und zwar in Anlehnung an Gustav Mahler, was die Fans desselben ebenfalls zu erheblichen Mißfallensäußerungen herausforderte. Visconti hatte die Figur des Aschenbach in einem weiteren Punkt grundlegend verändert: Während Thomas Manns Aschenbach einen anerkannten, jedoch durch und durch erstarrten Leistungsethiker verkörpert, der eine plötzlich über ihn hereinbrechende Welle der Sinnlichkeit nicht verkraftet und in einem letzten Höhepunkt der Schaffenskraft in ihr untergeht, zeigt Visconti den gradlinigen Verfall eines Menschen, der bereits bei seiner Abreise nach Venedig ein gebrochener Mann (Dirk Bogarde in einer seiner besten Rollen) ist. Das Adagietto aus Gustav Mahlers 5. Sinfonie untermalt eine ganz in triste Grau- und Brauntöne gehaltene morbide Ode an das Scheitern des bourgeoisen Künstlers, an der der adelige Marxist Visconti eigentlich seinen dialektischen Spaß gehabt haben sollte.
Der Tod in Venedig“ 8.4.- 14.4. im Notausgang
Wen angesichts des nervtötenden Dauergeplappers in Woody Allens neuer Komödie „Celebrity“ das Bedürfnis überkommt, einen Film des Maestros zu betrachten, in dem auch einmal eine Pointe zündet, der wird vom Arsenal mit dem Frühwerk „Der Schläfer“ (1973) ganz ordentlich bedient. Die Science-Fiction-Komödie, in der Woody im 21. Jahrhundert aus einem Kälteschlaf erwacht und fortan mit den Tücken der Technik kämpft, kommt hemmungslos albern daher und enthält erheblich mehr visuelle Gags (unvergeßlich bleibt der Kampf mit dem abstrusen Riesenpudding) als sonst bei Allen üblich. Vor allem aber besitzt „Der Schläfer“ eine gewisse Unbeschwertheit, die man von dem alternden Regisseur heute wohl nicht mehr erwarten kann.
Sleeper – Der Schläfer“ 14.4. im Arsenal
Zum Abschluß noch der Hinweis auf zwei kleine Werkschauen: Das Filmkunsthaus Babylon zeigt ab Montag sechs Filme des tschechoslowakischen Regisseurs Stefan Uher, dem die ehemaligen kommunistischen Machthaber ob der filmischen Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart seiner Heimat nicht immer wohlgesonnen waren.
Mit den Werken eines weitaus bekannteren Osteuropäers wartet man derweil im Nickelodeon auf: Neben der Verfilmung des Theaterstücks „Der Tod und das Mädchen“ und dem düsteren Korruptionskrimi „Chinatown“ läuft dort in der kommenden Woche die Horrorgroteske „Der Mieter“, in der Roman Polanski nicht nur als Regisseur, sondern auch als Hauptdarsteller reüssierte.
Filme von Stefan Uher 12.3.- 18.3. im Filmkunsthaus Babylon; „Chinatown“ und „Der Mieter“ 8.4.-14.4., „Der Tod und das Mädchen“ 14.4. im Nickelodeon
Lars Penning
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