Populismus trifft Law and order

Roland Koch (CDU) wurde gestern zum hessischen Ministerpräsidenten gewählt. Und hat schon den ersten internen Streit am Hals  ■   Aus Wiesbaden Klaus-Peter Klingelschmitt

Jetzt also Koch in Hessen. „In Deutschland wird man wieder mit uns rechnen müssen“, sagte er schon am Wahlabend vor zwei Monaten. Es klang fast wie eine Drohung. Im Bundesrat hat der CDU-Mann die Mehrheit der SPD-geführten Länder gebrochen. Im Landtag lagen gestern alle 56 Stimmen von Union und FDP für ihn in der Urne. Roland Koch, 41, ist neuer hessischer Ministerpräsident. Und hat schon den ersten internen Streit am Hals.

Es geht um die bevorstehende Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus dem Kosovo. Der „gnadenlose Populist Roland Koch“, wie die Bündnisgrünen im Landtag den smarten Juristen nennen, sprach am vergangenen Wochenende davon, daß Hessen eigentlich keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen könne. Die „Grenzen unserer Kapazität“ seien erreicht, so Koch in einem Interview mit der Sonntagszeitung.

Dem widersprach am Montag der neue Innenminister Volker Bouffier (CDU) heftig. Der Law-and-order-Mann hatte sich zuvor nachdrücklich zur Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung bekannt. Hessen werde die Quote von 7,5 Prozent bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen erfüllen, versprach Bouffier. Das wären bei einem deutschen Kontingent von 10.000 Kriegsflüchtlingen 750 Personen. Das wurmte offenbar den neuen Regierungssprecher Dirk Metz über alle Maßen. Hessen könne „maximal 500“ Flüchtlinge aufnehmen, wies der Koch-Vertraute, dem neben seinem Ministerpräsidenten nur noch Schalke 04 über alles geht, den Innenminister am Dienstag zurecht.

Eine ganz andere Rechnung hatte zwei Tage vor der Regierungsübernahme von Union und FDP der gestern aus dem Amt geschiedene Innenminister Gerhard Bökel (SPD) aufgemacht. Nachdem es gelungen sei, fast alle Bürgerkriegsflüchtlinge aus Kroatien und zwei Drittel der Flüchtlinge aus Bosnien in ihre Heimat zurückzuführen, könne die Ablehnung der dringend notwendigen Hilfe für die Vertriebenen aus dem Kosovo nicht mit mangelnder Kapazität begründet werden. Es sei ein „schlechtes Signal für unser weltoffenes Hessen“, wenn der neue Ministerpräsident ohne nähere Kenntnis des Sachverhaltes solche weitreichenden Erklärungen abgebe, kritisierte Bökel. Hessen verfüge über eine Aufnahmekapazität für rund 2.000 Flüchtlinge; die 750 Kontigentierten stellten deshalb „kein Problem“ für das Land dar. „Diese Hilfe kann kein hessischer Politiker guten Gewissens verweigern“, sagte Bökel. SPD-Fraktionschef Armin Clauss erklärte gestern, daß es „menschlich untragbar“ sei, wenn Koch angesichts der Not der Vertriebenen davon rede, daß „das Boot voll“ sei.

Einen Rechtsruck in Hessen werde es mit der FDP nicht geben, hatte zuvor noch die neue Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Ruth Wagner, versprochen; auch nicht in der Ausländerpolitik. Doch Koch hat mit der Berufung von Jochen Riebel zum Staatssekretär im Finanzministerium von Karlheinz Weimar (CDU) einen Populisten vom ganz rechten Rand der Union zum Regierungsmitglied gekürt. Als Landrat des Main-Taunus Kreises war Riebel immer stolz darauf, daß sein Ausländeramt als das härteste in ganz Hessen galt. Nur bundesweite Protestaktionen konnten Riebel 1994 daran hindern, einen schwer nierenkranken Inder abzuschieben. Danach beleidigte er mit Ausländern verheiratete deutsche Frauen. Klagen gegen ihn waren anhängig.

Als Staatssekretär wird Riebel wieder mit Ausländerpolitik befaßt sein, denn die Integration der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sei eine „Querschnittsaufgabe“ für fast alle Ministerien, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Koordination soll durch die Staatssekretäre erfolgen. Ein „Integrationskonzept der Hessischen Landesregierung“, wie es großspurig im Koalitionsvertrag steht, gibt es dagegen nur in Ansätzen. „Ausbildungs- und berufsbezogene Förderungsmaßnahmen“ für Jugendliche sollen ergriffen, „institutionelle und strukturelle Hindernisse“ bei der Integration „überwunden werden“, heißt es schwammig. Konkret wird der Koalitionsvertrag da nur an einem Punkt: „Das Gesetz über den Ausländerbeirat wird aufgehoben.“ Einen Landesausländerbeirat wie unter SPD und Bündnisgrünen wird es in Hessen nicht mehr geben.

Aktuell wird Roland Koch sich – zusammen mit seinem Landwirtschafts- und Energieminister Wilhelm Dietzel (CDU) – mit dem AKW Biblis A beschäftigen müssen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin von den Bündnisgrünen hatte noch schnell alle Weisungen des Bundes aus der Epoche Kohl gegen frühere hessische Stillegungsverfügungen aufgehoben; und die hessische Umweltministerin Priska Hinz (Bündnisgrüne), die gestern ihre Entlassungsurkunde erhielt, „aus Sicherheitserwägungen heraus“ vorgestern noch eine neue geschrieben. Die müßten Koch und Dietzel jetzt nur noch unterschreiben – und Biblis A könnte verschrottet werden. Wetten, daß ...