Bodenaufprall der Friedenstauben

■ Nach dem Besuch im Kanzleramt fühlen sich Ilona Rothe und ihre Initiative „Mütter gegen den Krieg“ von der deutschen Politik im Stich gelassen

Als sie nach zwei Stunden endlich aus dem Kanzleramt kommen, stehen ihnen die Tränen in den Augen. „Es war schlimm“, wispert Ilona Rothe, „viel schlimmer, als ich dachte. Uns ist jetzt allen klar, daß wir Mütter allein dastehen. Niemand in der Politik wird uns helfen!“ Mit drei Begleitern und zwei anderen Müttern ist die Begründerin der Initiative „Mütter gegen den Krieg“ aus Erfurt angereist. Mit Michael Steiner, dem außenpolitischen Berater von Gerhard Schröder, wollen sie über den Abzug deutscher Truppen aus dem Kosovo verhandeln. „Damit unsere Jungs mit dem Morden aufhören und die Nato sich mit Milošević wieder an den Verhandlungstisch setzt“, wie Rothe es formuliert. Solch Mutteransinnen aber klang für Steiner offenbar naiv und der politischen Lage unangemessen. So nahm er sich zwar Zeit für die selbsternannten Friedensstifterinnen, die spätestens seit Rothes Auftritt bei „Sabine Christiansen“ zu Medienstars avanciert sind, blieb in Sachen Kosovo aber bei seiner Standardantwort. Mit Milošević, erklärte Steiner, werde erst wieder verhandelt, wenn der serbische Präsident seine Militärverbände vollständig aus albanischem Gebiet abgezogen und der einheimischen Bevölkerung ein Bleiberecht garantiert habe. Einzig einen Einsatz deutscher Bodentruppen könne er prinzipiell ausschließen. Die Mütter fühlten sich von Steiner abgekanzelt.

„Auf die meisten Fragen haben wir gar keine Antwort erhalten, etwa auf die Frage, warum die Bundeswehr nicht auch in der Türkei wegen der Kurden damals eingegriffen hat“, wettert Rothe hinterher. Die Diskussion sei eskaliert. „Aber ihr Sohn will doch gar nicht da unten weg“, habe Steiner ihr schließlich an den Kopf geworfen. Tatsächlich hat sich ihr 24jähriger Sohn Michael freiwillig als Zeitsoldat für vier Jahre verpflichtet. Tatsächlich hat er seine pazifistische Mutter telefonisch bereits mehrmals gebeten, sich nicht weiter für seine Heimkehr einzusetzen, da er von den Kameraden schon als „Verräter“ beschimpft werde. Solche Einwände von „Männerlogik“ aber läßt Ilona Rothe nicht gelten. Aus Existenzängsten habe ihr Sohn vor drei Jahren als arbeitsloser Kunstschlosser eine Unterschrift geleistet, die „nichts, rein gar nichts, schon gar keinen ungerechten Krieg rechtfertigt“. Mit Sätzen wie diesem schart sie neuerdings auch ehemalige Aktivisten der Friedensbewegung um sich. Rieke Nottmeyer aus Honnef hat weder Sohn noch Enkel bei der Bundeswehr, sie ist einzig gekommen, weil sei „total gegen militärische Einsätze“ ist. Am Ende des Gesprächs mit Steiner fühlte sich die Pazifistin dann einmal mehr von der Schlechtigkeit der Politik bestätigt. „Die bestehen halt auf Krieg, und wir bestehen auf Frieden, so einfach ist das“, bilanzierte Nottmeyer bitter. Die Enttäuschung war allen Mitstreiterinnen Rothes anzumerken. Sie, die schon einen Fußmarsch zu Milošević geplant hatten, sind durch das Gespräch mit Steiner hart gelandet. Gisa Funck, Bonn