Herr Doktor Kabelträger

■ Der Weg zum akademischen Olymp ist hart

„Kunsthistorikerin als Toilettenfrau gesucht“, stand in der Anzeige. Was nur ein Druckfehler war und neulich auf der vorletzten Seite des Spiegel zu finden war, könnte der Realität standhalten. Gerade AkademikerInnen, die auf dem Weg zur Promotion sind, haben es nicht leicht, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Ein Viertel der DoktorandInnen bekommt Nafög, also Geld nach dem Nachwuchsförderungsgesetz. Die Assistentenstellen bei Professoren werden immer knapper, sind sie besetzt, dann meist über Jahre. Für einige, die an ihrer Doktorarbeit sitzen, gibt es noch Geld von privaten Stiftungen und der Industrie, die sich ihren zumeist naturwissenschaftlichen Nachwuchs heranzieht. Der Rest geht leer aus.

Zum Beispiel Robert, der, wie er sagt, schon zu alt war, um die Sympathien des für die Stipendien zuständigen Landesgraduiertenkollegs zu gewinnen. Drei Jahre lang hatte er Musik gemacht und sich im Ausland herumgetrieben. Dann war die Deadline erreicht, ein Stipendium war nicht mehr drin. Jetzt schreibt der Kunsthistoriker an seiner Arbeit über das Bauhaus und arbeitet als Kabelhilfe beim Fernsehen. 1.000 Mark macht der 33jährige damit im Monat. Ein Drittel seiner Zeit ist er mit dem Ü-Wagen unterwegs. Den Gelegenheitsjob ergatterte Robert nur mit einem nicht ganz legalen Trick. Weil er bereits eine Ausbildung abgeschlossen hat, müßte sein Arbeitgeber Sozialleistungen für ihn abführen. Dazu hatte der Sender keine Lust, immerhin gibt es neben Robert genügend Studenten auf dem Markt, die abgabefrei zu haben sind. Robert begann zum Schein ein Zweitstudium. Trotzdem müßte der Arbeitgeber Sozialabgaben zahlen. Doch bei Robert funktioniert die Grauzone – sein Studentenjob wird geduldet. Niemand weiß so genau, daß er schon ein abgeschlossenes Studium hat. Wenn er seinen Job mal verliert, kann er kein Arbeitslosengeld beantragen.

Der Weg zum akademischen Olymp ist nicht nur mit dicken Wälzern gepflastert. Bei einer Stipendienbewilligungsquote von 25 Prozent in Berlin haben vor allem die eine Chance, die jung sind und frühzeitig gute Kontakte zu ihren Professoren knüpfen. Auch der Weg zu privaten Stiftungen kann sich lohnen: Der Historiker Burghard Olchowski bekommt vom katholischen Cusanus-Werk 1.600 Mark im Monat, zwei Jahre lang. Damit hat er 200 Mark mehr als ein Nafög-Empfänger – und ist nicht mal verpflichtet, sonntags den Gottesdienst zu besuchen. Martin Reichert