Nato-Show: Viel reden, nichts sagen

■ Das Pentagon hat aus dem Vietnamkrieg gelernt, wie der Golfkrieg medial zu präsentieren war. Daraus wollte die Nato für den Kosovo-Krieg lernen. Doch der kam zu überstürzt und entwickelte sich überraschend. Jetzt tun sich die Medienstrategen schwer mit der Präsentation der Bombenangriffe

Aus dem Desaster des Vietnamkriegs hat das Pentagon nicht die Lehre gezogen, wie man einen Krieg künftig vermeidet, sondern wie man ihn erfolgreicher verkauft. Das Ergebnis war im 2. Golfkrieg vom Frühjahr 1991 zu „bewundern“. Doch dieser Krieg war langfristig vorbereitet. Daher gab es auch eine frühzeitig entwickelte Strategie zum Umgang mit Informationen und Medien. Für den Krieg um das Kosovo gilt all dies nicht. Denn bis kurz vor Beginn gab sich die Nato der Hoffnung hin, sie müsse ihn nicht führen, Milosevic lasse sich allein durch die Drohung mit Luftangriffen zum Einlenken bewegen. Nachdem diese Illusion geplatzt war, folgte die zweite Fehlkalkulation, der Krieg lasse sich in ein, zwei Bombennächten siegreich entscheiden.

Inzwischen sind nach über zwei Wochen Luftangriffen die offiziell erklärten militärischen und politischen Ziele auch nicht ansatzweise erreicht. Für die Sprecher (es sind ausschließlich Männer) und „Spindoctors“ der Nato, des Pentagons und der 18 Verteidigungsministerien bedeutet diese Lage eine äußert undankbare Aufgabe. Rund um die Uhr müssen sie eine völlig verfahrene Lage schönreden und von den harten, für das Bündnis unangenehmen und peinlichen Tatsachen ablenken. Sie bieten den informationshungrigen Medien ausführliche Schilderungen und Videos über die Waffen, die bei den Luftangriffen eingesetzt werden, oder spektakuläre Bilder von brennenden und zerstörten Ministerien in Belgrad, Donau- Brücken bei Novi Sad oder einer Zigarettenfabrik bei Nis. Doch fast nichts über die bislang fast überhaupt nicht getroffenen Waffensysteme, mit denen die serbischen Armee- und Polizeieinheiten im Kosovo die brutale Vertreibung der Albaner fortsetzen.

Die zwei in diesem Krieg wichtigsten Sprecher arbeiten in der Brüsseler Nato-Zentrale und im Pentagon. Sie legen bei der Erledigung dieser schwierigen Aufgabe lediglich einen unterschiedlichen Stil an den Tag: Der Brite Jamie Shea in Brüssel erweckt durch seine joviale, redselige Art nur den Eindruck, er gebe tatsächlich harte Informationen preis. Shea muß bei seinem Auftreten und seinen Äußerungen natürlich immer die zum Teil sehr unterschiedlichen Öffentlichkeiten in allen 19 Nato-Staaten im Auge haben. Sein Kollege Kenneth Bacon in Washington, dessen Auftritte vorrangig für Medien und Öffentlichkeit in den USA bestimmt sind, wirkt in seiner trockenen, zurückhaltenden Art lediglich so, als sei bei ihm weniger zu erfahren als bei der Nato. Im Informationswert ihrer Äußerungen unterscheiden sich die beiden Sprecher nicht.

Je deutlicher wurde, daß die Luftangriffe der Nato Ziele nicht erreichen, desto wichtiger wurde für das Bündnis die Katastrophe der Flüchtlinge. Denn deren Lage, durch die Angriffe wenn nicht ausgelöst, so doch verschärft, dient als Begründung für die Fortsetzung der Angriffe. Doch damit wird sich die Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr allzu lange bestreiten lassen. Die schwerste Aufgabe steht den Sprechern möglicherweise noch bevor: Kommt es nicht sehr bald zu einem Ende des Krieges, müssen sie der Öffentlichkeit den Einsatz von Bodentruppen verkaufen. Und zwar bis hin zum dann wahrscheinlichen unabwendbaren bitteren Ende: dem Marsch von Nato-Bodentruppen auf Belgrad. Andreas Zumach, Genf