Archiviert im Altpapier

AStA-Vorsitzender Oliver Camp vernichtet fast die gesamten Akten der Studierendenvertretung. Strafanzeige angekündigt  ■ Von Jakob Michelsen

Das Archiv des Allgemeinen Studierenden-Ausschusses (AStA) der Hamburger Uni ist wesentlich schlanker geworden. AstA-Chef Oliver Camp hat am Ostermontag fast die gesamten Akten, die sich in den Räumen der Studierendenvertretung befanden, vernichtet. Nur Finanzunterlagen blieben verschont. Camp behauptet, er habe alles historisch Relevante ans Staatsarchiv abgeliefert; bei den weggeworfenen Papieren handele es sich lediglich um „Tinnef“. Zwei seiner AmtsvorgängerInnen hätten ihn bei der Auswahl beraten.

Tatsächlich schickte Camp vor ein paar Wochen einige Unterlagen ins Staatsarchiv. Wie AStA-Schwulenreferent Heino Windt und Theresa Jakob vom FrauenLesbenrat gestern betonten, befanden sich in den restlichen rund 300 Ordnern jedoch ebenfalls wichtige Unterlagen, etwa die Sitzungsprotokolle der vergangenen Jahre, Pressespiegel, diverse Schriftwechsel und Unterlagen zu den studentischen Streiks. Davon zeugen jetzt nur noch die Aufschriften auf den leeren Ordnern, die Camp fein säuberlich wieder in die Regale stellte. „Dem AStA und der Verfaßten Studierendenschaft ist ein kaum wiedergutzumachender Schaden entstanden“, so Jakob. Heino Windt kündigte eine Strafanzeige gegen Camp wegen Sachbeschädigung und Veruntreuung an.

Die Aktion, fürchtet er, werde die künftige Arbeit der Studierendenvertretung erheblich behindern. Denn schon immer wurde das AStA-Archiv zur Überlieferung der studentischen Geschichte genutzt. Die Chronik einer vom AStA herausgegebenen Festschrift zum 75jährigen Uni-Jubiläum 1994 beispielsweise beruhte zu erheblichen Teilen auf den Archivalien.

Im selben Jahr schloß der damalige AStA mit dem Staatsarchiv einen Depositalvertrag, der die Studierendenvertretung dazu verpflichtet, alle ihre Unterlagen regelmäßig ans Archiv abzuliefern. Statt dessen sortierte Camp nun eigenmächtig aus. Gegenüber der taz sagte er, von dem Vertrag wisse er nichts. Im Staatsarchiv war gestern wegen einer Personalversammlung niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.

Zu Camps Motiven vermutet Windt: „Er wollte vor der voraussichtlichen Wahl eines neuen Vorstandes nächste Woche noch schnell eine Duftmarke setzen.“ Camp und seine Vorstandskollegin Nadine Stefani machten seit ihrer Wahl im Mai 1998 durch spektakuläre Alleingänge von sich Reden – zum Beispiel durch die Einladung von NPD und DVU zu einer Podiumsdiskussion oder dadurch, daß sie beinahe das Semesterticket platzen ließen (taz berichtete). Im Oktober kamen sie einem Mißtrauensvotum des Studierendenparlaments zuvor und traten zurück. Seither sind sie nur noch kommissarisch im Amt.