Keine reine Propagandaplattform

TV-Delta und die „Albanische Stimme“ sind nach Kriegsausbruch bei Berlinern populär geworden. Doch die Redakteure wollen mit Politik am liebsten nichts zu tun haben und lieber Kultursendungen machen    ■ Von Christoph Rasch

Der Gasherd leuchtet im Scheinwerferglanz, das Studio war einmal eine Küche. „Aber manchmal“, sagt der Moderator, „übertreffen wir das jugoslawische Staatsfernsehen. Nicht nur technisch.“ TV-Delta sendet seit über zwei Wochen in deutscher Sprache. Mit Goethes Todestag und Berichten von der Tourismusbörse hatte der Minisender als „erstes jugoslawisches Fernsehen außerhalb des Mutterlandes“ mit dem Sendebetrieb begonnen – drei Tage bevor die Bomben fielen.

„Ein Spiel des Schicksals“, sagt Initiator Vladan Rakic. Er macht sich Sorgen: „Wer will jetzt schon Berichte über Reisen und Kultur sehen?“ Wo vorher Interviews mit den jugoslawischen Sportlern von Alba Berlin liefen, ist nun der grüne Kriegsgegner Christian Ströbele Kameraliebling. Seit Kriegsausbruch macht der Belgrader Journalist Rakic zusammen mit Kameramann Jadranko Milakovic und Vlastimir Vidic, ebenfalls Journalist und Moderator, Stücke über die tägliche Mahnwache gegen den Krieg an der Gedächtniskirche, oder sie filmen eine Kosovo-Podiumsdiskussion in der Humboldt-Uni.

Dreimal pro Woche geht Delta für eine halbe Stunde im Berlin-Brandenburger Kabelnetz auf Sendung. Getragen durch den Spreekanal, das kommerzielle Pendant zum Offenen Kanal. Maximal dreieinhalb Sendestunden pro Woche sieht die von der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg vergegebene TV-Lizenz vor. „Wir hoffen, daß wir ausbauen können, aber im Moment sind unsere Pläne auf Eis gelegt“, sagt Vidic. „Zur Zeit ist das noch ein Idealistenjob“, Geld verdienen die zehn festen und freien Delta-Mitarbeiter noch keines. Die Ausrüstung stammt größtenteils aus privatem Besitz. Lediglich die zwei Räume in der großzügigen Schöneberger Altbauwohnung stellt ein jugoslawischer Bauunternehmer, „der sich irgendwann einmal Werbeeinnahmen durch die Sendung erhofft“. Doch der Krieg hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Gerade drei Werbekunden habe man bislang gewinnen können. Stoisch filmt Jadranko Milakovic, eigentlich Fernsehtechniker, die über das Moderatorenpult drapierten Teebeutel eines jugoslawischen Herstellers ab.

„Mostovi“ – „Die Brücke“, die halbstündige Samstagsausgabe ist der „kulturelle Ausgleich“ für den „eigentlich unpolitischen Sender“. Mit Künstlerinterviews und „poetischer Ecke“ soll „auch dem deutschen Publikum die Hand gereicht“, und nicht nur eine Verbindung zur Heimat hergestellt werden. Rakic würde aus seinem Magazin das Politische am liebsten raushalten. Doch das gehe in solchen Zeiten eben nicht.

Live-Telefoninterviews mit dem serbischen Oppositionsführer Zoran Djindjic und Beratern von Vizepremier Vuk Drakovic sind geplant, und eine Ausgabe ihres Magazins „Scanner“ wird von den projugoslawischen Veranstaltungen und Demos berichten – so auch von der Mahnwache am Breitscheidplatz. „Tamo daleko“, ein Lied aus dem Ersten Weltkrieg, singen sie hier. Rakic lädt zwei junge Organisatorinnen in die Sendung ein. Das Delta-Team kennen sie schon, „beim Ostermarsch wollten die alle mit uns sprechen, die Resonanz ist gut“.

Doch zur reinen Propagandaplattform will man sich nicht degradieren lassen. Journalistisch ambitioniert waren die Macher schon während ihrer früheren vierjährigen Arbeit beim Offenen Kanal, wo sie sporadisch eine Sendung produzierten. Sie luden zum Beispiel Kostas Papanastasiou ein, den griechischen Wirt aus der „Lindenstraße“, erzählt Vladan Rakic stolz. Er habe in einer Sendung lauthals griechische Friedenslieder gesungen.

Voltastraße im Wedding, am selben Abend. Die MAZ des Offenen Kanals fährt ab, und aus vollen Kehlen kehren die „UÇK-“ und „Nato“-Rufe der Demonstration von Donnerstag wieder, auf der 8.000 Kosovaren marschierten und skandierten. Und mit ihnen die „Albanische Stimme“, das TV-Magazin der Albaner. Moderatorin Vjollca, die ihren Nachnamen nicht nennen will, verabschiedet sich auf albanisch, mit Bildern der Kosovo-Transparente und Kindern in Kampfanzügen. Pünktlich um 9 würgt der graue Hinweis-Trailer die Demo-Impressionen ab. Es folgt Seniorengymnastik. Die „Albanische Stimme“ sei die einzige albanische Fernsehsendung außerhalb des Balkans, sagt der verantwortliche Redakteur Musa Mulaj. Der Kosovoer aus Mitrovica kam gänzlich ohne Fernseherfahrung nach Deutschland, doch seit über einem Jahr heißt das Schwerpunktthema „seiner“ Sendung nun schon „Kosovokrise“.

Redaktionsräume hat das Magazin nicht, das wohnzimmergroße „Studio“ ist kärglich. In schickem Blazer vor dem grauen Filz des Aufnahmeraumes beginnt Vjollca wie jeden Mittwoch um halb neun mit dem zehnminütigen Nachrichtenblock – das politische Tagesgeschäft in Albanien. Dann wird für die Vertriebenen gesammelt und für Hilfstransporte geworben. Sechs Jahre existiert das Wochenmagazin bereits. Obwohl man sich auch hier lieber als kulturelle denn als propandistische „Stimme“ versteht, gibt es Probleme. Die Sendezeit mußte man betriebsbedingt bereits auf eine halbe Stunde halbieren. Auch die Korrespondenten in Pritina und Makedonien gaben die Journalisten schon vor zwei Jahren aus Geldmangel auf. Nach Abbruch des telefonischen Kontakts ins Kosovo dienen vornehmlich albanischen Zeitungen und das Internet als Informationsquelle.

Dennoch sieht man sich in einer guten Position. „Unser Publikum verlangt viel mehr. Aber mehr als unsere monatlichen 120 Sendeminuten könnten wir derzeit gar nicht realisieren“, sagt Musa Mulaj. Mit Studiogästen wie der Ausländerbeauftragten des Senats, Barbara John (CDU), oder dem Grünen-Politiker Ismail Kosan hört man die Albanische Stimme zumindest zeitweise auch auf deutsch.

Doch es gibt auch Beiträge, die man in der Voltastraße nicht senden kann. Mulaj zeigt Bilder eines nach Deutschland geschmuggelten Videobandes, das die Redaktion in der vergangenen Tagen erreichte – hingerichtete Kosovo-Albaner. „Solche Bilder“, sagt Mulaj, „überlassen wir lieber CNN.“