■ Die Europäische Zentralbank senkt den Leitzins
: Besser wäre eine Beschäftigungspolitik

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen gesenkt. Mit diesem Schritt bringen Europas Währungshüter eine Befürchtung und zwei Wünsche zum Ausdruck. Die Befürchtung: Konjunkturell geht es bergab. Dazu kommen noch Unsicherheitsfaktoren: der Krieg im Kosovo, Rußlands Misere und die Spekulationsblase an der Wall Street. Sind der Euro und sein Wirtschaftsraum in der Lage, eine derartige Feuerprobe durchzustehen? Der glanzvolle Start spricht dafür, die mittlerweile erlittenen Wechselkursverluste dagegen. Duissenberg, der Chef der EZB, hofft, daß alle Notenbanken seinem Signal folgen werden. Das sieht so aus. Dem Euro ist das zu wünschen. Denn die EZB ist auf guten Willen angewiesen. Sie besitzt Unabhängigkeit, aber keine Power. Ferner hofft Duissenberg, daß die Banken die Zinssenkung weitergeben werden. Das sieht auch so aus. Europas Arbeitsmärkte sind für alles dankbar. Preispolitische Nachteile müssen nicht befürchtet werden. Im Gegenteil. Das Gespenst der Deflation scheint sich nicht verscheuchen zu lassen.

Die Formel „Weniger Zinsen gleich mehr Investitionen und in der Folge mehr Beschäftigung“ geht in jedem Lehrbuch auf. Bloß, welche Realität weiß das schon? In Japan befindet sich der Notenbankzins am Nullpunkt, ohne Investoren zu locken. Gleichzeitig sind steigende Zinsen für die USA nicht auszuschließen. Sollte es jemand nur aufs Geld abgesehen haben, dann würde er sich zu seinem Vorteil heute schon US-Papiere besorgen können. Kurz und schlecht: Die EZB ist ein institutioneller Schwächling. Und Europas Regierungen beschäftigten sich mit allem, nur nicht mit Beschäftigungspolitik.

In einem konjunkturellen Abschwung brauchen die Märkte zweierlei: nämlich erleichterte Rahmenbedingungen und zuversichtlich stimmende Aussichten. Zinssignale und Steuerermäßigungen sind das eine. Sie setzen Geschäfte und Erwartungen voraus. Damit tut sich die Wirtschaft schwer. Insofern ist die Politik aufgerufen, für wirtschaftliche Perspektiven zu sorgen. Eine entschieden vorangetriebene Erweiterung des europäischen Wirtschaftsraumes und ökologische Projekte könnten schon einiges bewirken. Dafür dürften weder Defizite noch Marktdogmen gescheut werden. Fritz Fiehler

Der Autor ist freier Journalist