Sonntag ist Stichtag fürs „Millennium-Baby“

■ Kirchen und Hebammen kritisieren Kommerz-Gag, das erste Kind des Jahres 2000 zu zeugen

München (AFP) – An diesem Wochenende ist die letzte Gelegenheit: Einige Experten errechneten Sonntag, den 11. April, als günstigsten Termin zur Zeugung des „Millennium-Babys“, das am 1. Januar 2000 zur Welt kommen soll. Seit Wochen laufen weltweit Werbeaktionen zum „Baby 2000“. Bei den Kirchen, Hebammen und beim Kinderschutzbund stößt dies allerdings auf Kritik.

Von den zeugungswütigen Paaren erhofften sich viele Profit. Ein Hotelier im elsässischen Luftkurort La Petite Pierre brachte Paare mit kulinarischen Spezialitäten in Stimmung. 300 Mark mußten sie hinblättern, um ein Menü mit ingwerhaltigem „Liebestrank“ und einem „Venushügel aus Schokolade“ genießen zu können. Der norwegische Ort Otta lockte Paare mit kostenlosen Hotelzimmern und erotischen Filmen. Ein Internet-Unternehmen aus San Francisco bot Eltern für knapp 50 Dollar ein Paket mit Ovulations- und Schwangerschaftstests, Massageöl und handgezogenen roten Kerzen an. Ein Kölner Unternehmen verlost an die Eltern von zehn Januar-Babys Windelpackungen für ein ganzes Jahr. Eine russische Boulevardzeitung stiftet dem Elternpaar, das in Rußland das erste Kind zur Welt bringt, als „Prämie“ ein Auto.

Auf dem Weg zum „Millennium-Baby“ gibt es jedoch einige Hürden. Die Chancen, daß das Kind tatsächlich am 1. Januar zur Welt kommt, sind gering, denn nur vier Prozent aller Kinder werden zum berechneten Termin geboren. Die Anstrengungen, die manche Eltern dafür auf sich nehmen, sieht Henriette Thomas vom Bund Deutscher Hebammen (BDH) skeptisch: „Der angeblich magische Geburtstag bringt dem Kind kaum etwas, sondern soll vielmehr die Eitelkeiten der Eltern befriedigen“, sagt sie. Die Hebammen rechnen im Januar und Februar 2000 mit Sonderschichten.

Mit Unverständnis reagiert auch der Deutsche Kinderschutzbund auf die Kampagnen. „Ein Kind ist nicht der Gag für das neue Jahrtausend“, sagt Geschäftsführer Walter Wilken. Es sei eine „seltsame Spielerei, wenn Kommerz damit betrieben wird, daß man punktgenau Kinder bekommt“. Kritik kommt auch von den Kirchen: Eltern, die damit ihre eigenen Wünsche erfüllen wollten, handelten „egoistisch“, heißt es bei der Deutschen Bischofskonferenz. Ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland betont, es sei „nicht gut, wenn werdendes Leben für solchen Medienrummel eingesetzt wird“.

Sollte das geplante „Millennium-Baby“ nicht zum passenden Termin kommen, gibt es noch einen milden Trost. Der tatsächliche Beginn des neuen Jahrtausends ist nämlich umstritten. Ulrich Bastian vom Astronomischen Recheninstitut in Heidelberg weist darauf hin: „Rein mathematisch gerechnet beginnt das Millennium erst am 1. Januar 2001.“