Zu viele Hormone im Waschmittel

Deutsche und Schweizer Behörden fordern ein wirksames Verbot hormonaktiver Wasch-Tenside. In Deutschland gelangen jährlich immer noch Tausende Tonnen davon in die Abwässer  ■   Von Paula Carega

Bern (taz) – Noch immer finden sich in Flüssen und Seen zu hohe Konzentrationen von Substanzen, die die Fruchtbarkeit schädigen. Zu dieser Einschätzung kommt das Schweizer Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) in einer neuen Studie. So reichten etwa die Maßnahmen zur Minderung von hormonell aktiven Reinigungsstoffen aus der Gruppe der Nonylphenolpolyethoxylate (NPnEO) nicht aus. Zwar sind diese nichtionischen Tenside – das bekannteste ist das Nonylphenol (NP) – in der Schweiz in Textilwaschmitteln seit 1986 verboten. Trotzdem finden sie sich immer noch in Oberflächengewässern, weil das Verbot bislang nicht für die Industrie gilt. In seiner Studie verlangt das Buwal deshalb ein generelles Verbot.

Schweizer Forscher vermuten, daß hormonaktive Substanzen für die Halbierung der Fischbestände in den vergangenen 20 Jahren und das Aussterben des Fischotters mitverantwortlich sind.

Auch in Deutschland reichten die bisherigen Maßnahmen gegen die NPnEO nicht aus, heißt es im Umweltbundesamt (UBA). Zwar besteht in Deutschland seit 1992 eine freiwillige Vereinbarung, auf diese Tenside zu verzichten. Doch pro Jahr gelangen noch immer zwischen 2.000 und 10.000 Tonnen NPnEO in die Abwässer, schätzt das UBA. „Die freiwillige Vereinbarung zeigt nicht den gewünschten Erfolg“, kritisiert die UBA-Chemieexpertin Christina Wege. Gerade kleinere Waschmittelhersteller, die nicht dem Verband angeschlossen seien, würden die Reiniger nach wie vor einsetzen. Das UBA begrüße deshalb ein möglichst europaweites Verbot der NPnEO, so Wege. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung hat die EU immerhin gemacht: Eine neue Tensid-Richtlinie ist derzeit in Ausarbeitung.

Seit einigen Jahren ist bekannt, daß hormonähnliche Chemikalien in Gewässern zu Geschlechtsveränderungen und Unfruchtbarkeit bei männlichen Fischen führen. Eine kürzlich publizierte Studie in Großbritannien zeigt, daß unterhalb von Kläranlagen sechs von zehn männlichen Jungfischen zu Zwittern mutierten. Über die genaue Auswirkung auf die Fortpflanzung von Tieren liegen aber bisher wenig Studien vor.

Heute sind über 50 hormonwirksame Chemikalien bekannt. Zu ihnen gehören unter anderem Stoffe aus der Antibabypille, die mit dem menschlichen Urin in die Abwässer gelangen. Weiter belasten Kosmetika, Industriechemikalien und Pflanzenschutzmittel die Gewässer. Organische Zinnverbindungen in Bootsanstrichen, die das Algen- und Muschelwachstum hemmen, werden ausgewaschen und bewirken eine Vermännlichung weiblicher Schnecken. Als Folge davon sind an vielen Meeresküsten und entlang großer Schifffahrtswege Populationen bestimmter Meeresschnecken stark zurückgegangen.

Hormonaktive Substanzen können aus den Gewässern über die Nahrungskette den Menschen erreichen. Zudem vermuten Forscher auch eine Einwirkung über die Haut. Zwei langjährige Trends sind beim Menschen gut belegt: So steigt die Häufigkeit von Hodenkrebs in Industrieländern. Seit einigen Jahren stellen Forschende zudem in einigen europäischen Ländern ein geringes, aber signifikantes Mißverhältnis von neugeborenen Jungen zu Mädchen fest. Doch hinsichtlich der Langzeiteffekte von niedrigen Dosen bestehen noch große Wissenslücken.