Perfektionierte Kindlichkeit

■ Aus Kindern werden Leute, selbst wenn sie Steve Sci-Fi, Manda Rin und John Disco heißen: „Bis“ spielen heute abend im Knaack

Auf ihrem ersten Album, das „The New Transistor Heroes“ hieß, waren die drei von Bis abgebildet, gezeichnet als Comicfiguren in einem leicht infantilen Manga-Stil, um sie herum alles explodierend. Auf der aktuellen, zweiten Platte, „Social Dancing“, nun sind es schlichte, fast schon reduzierte Schwarzweißfotos, umgeben von einer mathematischen Sachlichkeit in blassem Blau und Rosa.

Wer jetzt Angst bekommen hat um die unbeschädigten Seelen unserer drei Helden aus Glasgow, sei versichert, daß man vom professionellen Zynismus des durchschnittlichen Britpop-Jungmannes immer noch glücklich weit entfernt ist. Bestenfalls sind sie inzwischen so etwas wie die Krabbelgruppen-Ausgabe von Radiohead geworden. Aber: Aus Kindern werden Leute, auch aus Menschen, die sich Steve Sci-Fi, Manda Rin und John Disco nennen.

Entsprechend der graphischen Umsetzung hat die Welt aber nun festgestellt, Bis seien auch musikalisch erwachsen geworden. Ihr Pop wird zwar immer noch in Großbuchstaben gedruckt, aber endlich, so scheint es, könnten sie das notfalls sogar auch selber schreiben. Dieses öffentliche Erwachsenwerden wird von der Musikpresse so genüßlich und leicht voyeuristisch beobachtet wie das von Anna Kournikowa bei den Kollegen aus den Sportredaktionen.

Als Bis begannen, waren sie eine von vielen Bands mit einer Sängerin und leicht verdaulichem Schrammelpop. Allerdings nicht ganz. Denn sie waren auch die einzige Band, die dem Jugendlichkeitsdruck, den die Idee Pop notgedrungen immer mit sich führt, gewachsen zu sein schien. Was vielleicht ganz einfach daran lag, daß sie nicht wußten, worum es eigentlich ging. Der Rest waren ein Sack voller Melodien, die aus dem Kindergarten geklaut zu sein schienen.

Wenn so ein Entwurf überhaupt reifen kann, dann hat er es jetzt unzweifelhaft getan. Mal abgesehen davon, ob es Sinn macht, aber wenn man Kindlichkeit perfektionieren kann, dann ist das auf „Social Dancing“ gelungen. Sie selbst reden nun doch tatsächlich davon, daß man halt seine Instrumente besser lernt im Laufe der Zeit und mehr Erfahrung kriegt und noch jede Menge mehr von solchem Musikerjungskram, aber tatsächlich weiß man nicht, wie sie es gemacht haben. Aber irgendwie haben sie es geschafft. Ihre überschwenglichen Melodien, die ihren Reiz bisher eigentlich hauptsächlich aus ihrer billigen Vergänglichkeit zogen, sind plötzlich so übersteigert, so jenseits von Gut und Böse, daß man versucht wäre, ihnen so etwas wie die Essenz von Pop zu unterstellen, wenn man nicht ständig gerade dabei das Gefühl hätte, ihnen damit Gewalt anzutun.

Daß auch hier wieder mit Hilfe von einigen Elektronikapplikationen ein an sich antiquierter Sound in die Moderne geholt werden soll, ist da nur mehr ein minimaler Schönheitsfehler. Das klappt auch hier nicht so richtig, aber was soll's, solange es solche Ergebnisse zeitigt. Thomas Winkler

Heute um 21 Uhr im Knaack-Club, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg