Farbwelterkundungen

■ Abstrakt gebaute, reliefartige Werke –vom Fisch-Schlucker bis zum Portal: Thieler-Preisträger Walter Libuda im Lapidarium

Der diesjährige Träger des nach seinem Stifter – dem Altmeister des Informel, Fred Thieler – benannten Preises für Malerei heißt Walter Libuda. Wie jedes Jahr richtet die preisverleihende Institution, die Berlinische Galerie/ Landesmuseum für Moderne Kunst, Photographie und Architektur, dem Ausgezeichneten eine kleine Werkstattausstellung ein. Da das Landesmuseum aus dem Martin-Gropius-Bau vertrieben wurde und derzeit auf dem Schultheiss-Areal auf dem Kreuzberg noch nicht über Schauräume verfügt, findet sie im Lapidarium statt. Das Gebäude war einmal das erste Wasserpumpwerk Berlins, wird aber seit vielen Jahren als Aufbewahrungsort für Steindenkmäler des 19. Jahrhunderts genutzt – darunter Figuren aus der Siegesallee im Tiergarten.

Der von massigen Monumenten beherrschte Ausstellungsraum läßt wenig Platz für Exponate. Fünf seiner flächig-expressiven Gemälde aus den letzten zehn Jahren hat Libuda ausgewählt, die eher punktuell seine Entwicklung ahnen lassen. Diese entfernt sich mehr und mehr von figurativen Anklängen und geht zu abstrakt gebauten, reliefartigen Werken über: vom düsteren „Fisch-Schlucker“, der wirkungsvoll am Ende eines mit pompösen Skulpturen gesäumten Ganges plaziert ist, bis zum „Portal“, einem vieleckigen, teils aus Fundstücken bestehenden Bild, das einem schreinartigen Objekt gleicht. Libuda, 1950 in Zechau-Leesen in der Nähe von Altenburg geboren, hatte in Leipzig studiert und war Meisterschüler bei Bernhard Heisig; 1985 ging er als freier Künstler nach Ost-Berlin, wo er heute im Stadtteil Grünau lebt.

In seinem Werk kreuzen sich Expressionismus und Leipziger Schule, Art brut und Informel und führen zu neuer Blüte. Seine Malerei ist „Arbeit mit schwerem Geschütz“, erscheint als „Selbsttriebwerk“ (Werner Schade), das sich mit der Welt auseinandersetzt – ohne vorgegebene Idee und vor allem „ohne Sendungsbewußtsein“ (Libuda). Die Ölfarbe ist für den Künstler die stimulierende Substanz, die er verspannt und verknotet wie textile Stoffe, die er streicht, knetet und übereinanderschichtet, als seien Bilder Bauwerke. Feste Dinge und Figuren lösen sich auf oder besser: durchdringen sich als farbgesättigtes Assoziationsfeld zwischen Mythologie und Natur, Landschaft und Architektur. Vor allem sind Libudas dichte, labyrinthische Kompositionen spannungsvolle Farbwelterkundungen.

Die haptische und räumliche Komponente seiner Malerei hat Libuda seit Ende der achtziger Jahre zum plastischen Arbeiten geführt. Die in der Parallelausstellung der Galerie Tammen & Busch (Fidicinstraße 40, Berlin-Kreuzberg; bis zum 2. Mai) gezeigten, buntbemalten und zum Teil glasierten Keramiken erscheinen wie den Gemälden entwachsene wildwuchernde Gestalten. es sind tierähnliche Monster, in denen sich zugleich geologische Formationen und menschliche Architekturen vermischen. Michael Nungesser

Lapidarium, Hallesches Ufer 78, Berlin-Kreuzberg. Bis 25. April, täglich außer freitags, 10–20 Uhr; Festschrift mit Laudatio von Andrea Firmenich 8 Mark